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Kautschuk

Kautschuk

Titel: Kautschuk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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Terlindens hatten ihm nicht viel Zeit gelassen.
    Tilly hatte nach einigen vergeblichen Bemühungen, Ruhe und Ordnung zu schaffen, den Kampf aufgegeben. Die neueingestellten Herren waren in fortwährender Unterhaltung mit den alten Mitarbeitern Fortuyns begriffen. Die einzige Ausnahme machte Dr. Lehnert, der sich mit verbissenem Eifer sofort an seine Arbeit setzte. Der Schlimmste war natürlich, wie immer, Dr. Wendt.
    Fortuyn hatte ihm eine größere statistische Arbeit übertragen, doch Rudi dachte nicht im entferntesten daran, diese zweifellos sehr interessante Aufgabe anzufassen. Ein paarmal hatte Tilly ihn sehr energisch zur Ruhe bringen wollen, doch Rudi schlug alle ihre Mahnungen in den Wind. Mit seinen Schnurren und Witzen hielt er selbst die Willigen von der Arbeit ab. Als er gerade einmal an Tillys Tisch vorbeikam, hielt sie ihn ärgerlich fest. »Sie scheinen ganz zu vergessen, Herr Wendt, daß Herr Fortuyn morgen von Ihnen die Statistik erwartet!«
    »Vergessen, teuerste Tilly? Warum soll ich das vergessen haben? Habe ja ganz deutlich gehört, wie Fortuyn sagte: ›Ich wünsche, daß Sie mir morgen die Arbeit übergeben‹«
    »Na ja!« fuhr Tilly ihn barsch an. »Da wird’s aber Zeit, daß Sie anfangen!«
    »Zeit? Massenhaft Zeit! In höchstens acht Stunden ist die Sache gemacht.«
    »Was?« Tilly sah ihn entgeistert an. »Acht Stunden! Ja, gukken Sie doch auf die Uhr, wie spät es ist!«
    Rudi legte seine Hand beruhigend auf ihre Schulter. »Nur Ruhe, Ruhe, Tilly. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht! Sie vergessen mal wieder ganz, daß es außer dem Tag noch die Nacht gibt. Morgen früh, das garantiere ich Ihnen, liegt die Statistik in Fortuyns Zimmer.«
    »Rudi, Rudi«, sagte Tilly mit leisem Stöhnen, »wann werden Sie mal vernünftig werden?«
    »Haha!« lachte er laut heraus. »Hoffentlich so schnell noch nicht!, ›Wir sind ja noch so jung –‹« sang er in Schlagermelodie.
    »Herr Doktor Wendt!« Die Stimme Wittebolds klang von der Eingangstür laut in den Raum. »Der Briefträger ist hier mit einem eingeschriebenen Brief!«

»Au Backe! Au Backe! Tilly ... eingeschriebener Brief! Schon faul! Wenn Sie wüßten, liebe Tilly: Hab’ vor nichts mehr Angst als vor eingeschriebenen Briefen ... Ach, du lieber Gott«, stöhnte er vor sich hin, »was wird das nun wieder sein?« Und markierte den gebrochenen Mann, während er unter dem Gelächter der anderen Assistenten zur Tür schlich.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis Rudi wieder in das Laboratorium trat. Seine Augen flogen zu Tillys Platz. Sie war inzwischen in Fortuyns Zimmer verschwunden. Ohne sich um die scherzhaften Zurufe der Kollegen zu kümmern, ging er geradewegs dorthin und warf sich mit verdrossener Miene in Fortuyns Schreibstuhl.
    »Na, Rudi«, rief hinter seinem Rücken Tilly, die in einem Schrank kramte, »wieviel sollen Sie denn blechen? Langt denn ein halbes Monatsgehalt dafür?«
    »Ach, Quatsch!«
    »Wie meinten Sie, Herr Doktor Wendt? Quatsch? Kann mich gar nicht erinnern, daß ein Herr auf eine Frage von mir jemals gesagt hätte: Quatsch.«
    »Doch Quatsch!« gab Rudi wütend zurück und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Da – lesen Sie doch den Wisch! Bin überzeugt, daß Sie dann auch sagen: Quatsch!«
    Tilly nahm den Brief und begann zu lesen.
    »Ah – ein Brief Ihres Vaters!« Sie las weiter. »Aber das ist ja wundervoll, Rudi! Großartig! Gratuliere.«
    »Was? Gratulieren? Ist das Ihr Ernst, Tilly?«
    »Nun aber Punkt, Rudi! Statt vor Freude an die Decke zu springen, markieren Sie hier die gekränkte Leberwurst, weil Ihr Vater Sie gern nach Hause haben möchte, um Ihnen den Posten des ersten Chemikers in seiner Fabrik zu übertragen. Ihr Vater schreibt da, sein erster Chemiker wäre seit langem krank und würde kaum wieder arbeitsfähig werden. Er brauche unbedingt Ihre Hilfe. Und da wollen Sie kneifen?«
    »Was heißt ›kneifen‹?« gab Rudi mißmutig zur Antwort. »Gekniffen hab’ ich in meinem Leben noch nie.«
    »Na ja! Also jetzt muß er mal ran an die Ramme, der feine Herr Rudi! Was mir das Spaß macht!«
    »Sie haben’s am allerwenigsten nötig, mich zu flachsen, Tilly; denn Sie sind doch eigentlich an dem ganzen Malheur schuld. Sie haben mir damals die Geschichte mit den Moranschen Großversuchen angerührt. Der Direktor Merker, das alte Kamel, hat als Studienfreund meines Vaters dem einen Mordsbrief geschrieben, als wär’ ich die erste Kanone hier und jetzt haben wir den Salat ... Aber –« Rudi setzte sich

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