Kay Scarpetta 16: Scarpetta
Greg in Sedona verbracht, einem deiner Lieblingsplätze. Wie geht es ihm übrigens? «
»Du hast kein Recht, Nachforschungen über mich anzustellen.«
»Selbstverständlich habe ich das. Ich wollte genau wissen, womit ich es zu tun habe. Und ich denke, das weiß ich jetzt. Auch wenn du nicht sehr offen mit mir warst.«
»Was habe ich Unehrliches gesagt?«
»Es geht eher darum, was du nicht gesagt hast. Dein Schweigen«, entgegnete Lucy.
»Du hast keinen Grund, mir zu misstrauen, und solltest es deshalb auch nicht tun«, gab Berger zurück.
»Ich werde nicht einfach alles hinschmeißen, nur wegen irgendwelcher Grenzen oder eines möglichen Interessenkonflikts. Auch nicht, wenn ich von dir die Anweisung bekomme«, entgegnete Lucy. »Ich habe alles auf meinen Server überspielt. Wenn du also die Laptops nehmen und gehen willst, nur zu. Aufhalten kannst du mich damit nicht.« »Ich möchte keinen Streit mit dir.« »Das wäre auch ziemlich unklug.« »Bitte droh mir nicht.«
»Das war keine Drohung. Ich habe Verständnis dafür, dass du dich unter Druck gesetzt fühlst und es für das Vernünftigste hältst, mich von dem Fall abzuziehen. Tatsache ist aber, dass du nicht die Möglichkeit hast, mich am Weitermachen zu hindern. Daran gibt es nichts zu rütteln. In der Wohnung einer Ermordeten wurden Informationen über meine Tante gefunden. Eine Magisterarbeit, an der diese Terri oder sonst jemand ständig herumkorrigiert hat. Ich würde in diesem Zusammenhang das Wort zwanghaft benutzen. Darüber sollten wir beide uns Sorgen machen, anstatt uns den Kopf über die Gedanken und möglichen Vorwürfe anderer Leute zu zerbrechen.«
»Was könnte man uns denn vorwerfen?«
»Dass wir einen Interessenkonflikt haben. Wegen meiner Tante. Wegen irgendetwas eben.«
»Die Meinung anderer Leute kümmert mich viel weniger, als du glaubst«, erwiderte Berger. »Ich habe nämlich gelernt, dass es besser ist, sie auf mein Denken einzuschwören, als darüber nachzugrübeln. Darin bin ich ziemlich gut. Mir blieb ja auch nichts anderes übrig. Hoffentlich ahnt Kay nichts von alldem. Ich muss mit ihr reden.«
»Sicher hätte sie es Benton erzählt«, antwortete Lucy. »Und dir ebenfalls. Niemals wäre sie einverstanden gewesen, Oscar Bane zu untersuchen, wenn sie ihn oder Terri Bridges auch nur entfernt gekannt hätte.«
»Als ich sie bat, ihn sich einmal anzusehen, hatte sie überhaupt keine Informationen über den Fall. Nicht einmal den Namen des Opfers. Also könnte sie Terri Bridges gekannt, es aber erst im Gespräch mit Oscar erfahren haben.«
»Dann hätte sie inzwischen längst etwas gesagt.«
»Ich weiß nicht, wie du das beurteilst«, meinte Berger, »aber ich finde es höchst seltsam, wenn eine Studentin, die eine Magister- oder Doktorarbeit schreibt, nicht die geringsten Anstalten unternimmt, sich mit der Person, um die es darin geht, in Verbindung zu setzen. Terri Bridges hat über Kay geschrieben und soll nie versucht haben, sie zu kontaktieren? Vielleicht hat sie es ja getan, und Kay hat es vergessen, weil sie nicht interessiert war.«
»Sie hätte sich daran erinnert und ihr zumindest eine höfliche Absage geschickt. Tante Kay kannte diese Frau nicht.« »Glaubst du wirklich, dass du objektiv sein kannst? Dass du damit klarkommst? Dass du das überhaupt willst?«
»Ich kann, und ich will«, erwiderte Lucy. Plötzlich wandte sich ihre Aufmerksamkeit dem Monitor zu.
»SCARPETTA von Terri Bridges« war auf dem Bildschirm zu lesen, immer dieselben Wörter, allerdings in verschiedenen Schriftarten und -größen.
»Jetzt hat er angefangen, nach Titelseiten zu sortieren«, stellte Lucy fest. »War die Frau denn total durchgeknallt?«
19
Der Autopsiesaal befand sich in der untersten Etage, wo er für Transporter und Rettungswagen, die die Toten anlieferten und wieder abholten, am leichtesten zu erreichen war.
In dem stillen Flur, in dem unbenutzte Rollwagen standen, roch es stark nach einem Lufterfrischer. Hinter den verschlossenen Türen, an denen sie vorbeikamen, wurden Skelettteile und Gehirnproben aufbewahrt. Ein düster wirkender, abgeschabter Aufzug aus Stahl brachte die Leichen nach oben, wo die Verwandten sie hinter Glas betrachten konnten. Scarpetta hatte großes Mitgefühl mit den Menschen, die einen geliebten Angehörigen auf diese Weise zum letzten Mal zu Gesicht bekamen. In jedem Gerichtsmedizinischen Institut, das sie je geleitet hatte, waren die
Weitere Kostenlose Bücher