Kay Scarpetta 16: Scarpetta
und wusste, wie wichtig es war, dass Welpen genug Wasser bekamen, nicht frieren mussten und Gesellschaft hatten.
Als der Laden auf der linken Straßenseite in Sicht kam, entsprach er allerdings ganz und gar nicht Shrews Erwartungen, geschweige denn der Beschreibung in der Kolumne des Chefs. Im Schaufenster lag zerknülltes Zeitungspapier. Ein roter Feuerhydrant aus Plastik neigte sich gefährlich zur Seite.
Nirgendwo im Fenster waren Welpen oder Kätzchen zu sehen. Außerdem war die Scheibe schmutzig.
Tell- Tail Hearts befand sich zwischen einem Laden namens In Your Attic, der offenbar mit Trödel handelte, und einem Geschäft, das den Namen Love Notes trug und anscheinend einen Räumungsverkauf veranstaltete. Geschlossen, verkündete das Schild an der schäbigen weißen Tür der Zoohandlung. Allerdings brannte helles Licht, und auf der Theke lag ein großer Folienbeutel mit Essen zum Mitnehmen von Adam's Ribs drei Türen weiter. Vor dem Haus parkte ein schwarzer Cadillac. Der Fahrer saß darin, der Motor lief.
Der Fahrer schien Shrew zu beobachten, als sie die Tür öffnete und in einen unsichtbaren Nebel aus Lufterfrischer trat. Die dazugehörige Spraydose stand auf der Kasse.
»Hallo?«, rief sie, weil nirgendwo ein Mitarbeiter in Sicht war.
Welpen fingen an zu bellen, zappelten und starrten sie an.
Kätzchen schliefen auf Haufen von Hobelspänen, und Fische schwammen träge in ihren Aquarien herum. Drei Wände wurden von einer Theke eingenommen, hinter der sich Drahtkäfige fast bis zu den Wasserflecken an der Decke stapelten. Sie enthielten winzige Vertreter jeder vorstellbaren Haustierart. Shrew vermied Blickkontakt. Das war besser so.
Blickkontakt ging nämlich direkt ans Herz, und ehe sie sich's versah, würde sie ein Tier nach Hause tragen, das sie gar nicht gewollt hatte. Außerdem konnte sie sie schließlich nicht alle mitnehmen, sosehr sie es sich auch wünschte. Die armen, bemitleidenswerten Wesen. Sie musste Vernunft walten lassen, Fragen stellen und überzeugt sein, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, bevor jemand einen Welpen aus seinem Käfig nahm und ihn ihr in den Arm legte. Und dazu musste sie mit dem Filialleiter sprechen.
»Hallo?«, rief sie wieder.
Zögernd näherte sie sich der Tür hinten im Raum, die einen Spaltbreit offen stand.
»Ist hier jemand?«
Sie öffnete die Tür. Eine Holztreppe führte in den Keller, wo sie erst einen Hund, dann mehrere bellen hörte. Langsam und einen Schritt nach dem anderen tastete sie sich die Treppe hinunter, und zwar sehr vorsichtig, denn die Beleuchtung war schlecht, und sie hatte zu viel Bourbon intus. Der Fußmarsch hatte sie zwar ein wenig ausgenüchtert, aber sie fühlte sich dennoch beschwipst und ein wenig benommen. Außerdem war ihre Nase taub wie immer, wenn sie einen über den Durst getrunken hatte.
Schließlich stand sie in einem düsteren Lagerraum, in dem es nach Krankheit, Fäkalien und Urin stank. Zwischen Kartons mit Haustierbedarf und Säcken voller Trockenfutter standen mit schmutzigen Papierfetzen ausgelegte Käfige. Daneben auf einem Holztisch befanden sich Glasampullen und Spritzen. »Infektiöse Klinikabfälle« lautete die Aufschrift in schwarzen Buchstaben auf den roten Müllsäcken. Auch ein Paar dicke schwarze Gummihandschuhe war dabei.
Direkt hinter dem Tisch lag eine begehbare Kühlkammer. Die Stahltür stand weit offen, so dass Shrew freie Sicht hatte. Der Mann im dunklen Anzug und mit schwarzem Stetson und die Frau im langen grauen Kittel hatten ihr den Rücken zugekehrt. Das laute Rauschen des Ventilators übertönte ihre Stimmen. Als Shrew sah, was sie da taten, wollte sie sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen. Doch ihre Füße schienen am Betonboden festzukleben. Entsetzt starrte sie hin. Im nächsten Moment hatte die Frau sie bemerkt. Shrew machte kehrt und rannte los.
»Stehen bleiben!«, rief ihr eine tiefe Stimme nach. »Halt!«
Schwere Schritte folgten ihr. Shrew übersah eine Stufe und stieß sich schmerzhaft das Schienbein an. Eine Hand packte sie am Ellbogen. Dann führte der Mann mit dem Stetson sie hinauf in den hell erleuchteten Laden. Im nächsten Moment erschien auch die Frau im grauen Kittel. Sie musterte Shrew zwar missbilligend, wirkte aber zu erschöpft, um sie wegen ihres unbefugten Eindringens zur Rede zu stellen.
»Was zum Teufel denken Sie sich dabei, hier herumzuschleichen?«, wollte der Mann mit dem Stetson wissen. Seine Augen waren
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