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Kay Scarpetta 16: Scarpetta

Titel: Kay Scarpetta 16: Scarpetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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dunkel und blutunterlaufen. Er hatte dichte weiße Koteletten und trug jede Menge protzigen Goldschmuck.
       »Ich bin nicht herumgeschlichen«, protestierte Shrew. »Ich habe den Filialleiter gesucht.«
    Ihr Herz klopfte wie wild.
    »Wir haben geschlossen«, entgegnete der Mann. »Eigentlich wollte ich einen Hund kaufen«, sagte sie. Tränen stiegen ihr in die Augen.
      »An der Tür hängt ein Schild«, gab der Mann zurück Die Frau stand schweigend neben ihm.
      »Die Tür war offen. Ich bin nach unten gegangen, um es Ihnen zu sagen. Jeder hätte einfach hier hereinspazieren können.« Shrew war machtlos gegen die Tränen.
      Sie wurde das Bild der Szene nicht los, die sie in der Kühlkammer beobachtet hatte.
      Der Mann wechselte einen Blick mit der Frau, als verlangte er eine Erklärung. Dann ging er zur Tür, überprüfte sie und murmelte etwas. Offenbar war ihm gerade klar geworden, dass Shrew nicht log. Wie hätte sie auch sonst hereinkommen sollen?
      »Nun, wir haben aber geschlossen. Es ist Feiertag«, beharrte er. Shrew schätzte ihn auf fünfundsechzig bis siebzig.
    Er sprach in dem gedehnten Akzent des Mittleren Westens, so dass ihm die Wörter von der Zunge zu rollen schienen.
      Shrew hatte den Eindruck, dass er dasselbe getan hatte wie sie selbst gerade eben: Er hatte getrunken. Sie bemerkte, dass der große goldene Ring an seinem Finger die Form eines Hundekopfes hatte.
      »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe Licht gesehen und bin hereingekommen, weil ich dachte, dass geöffnet ist. Ich wollte einen Welpen, Hundefutter und ein paar Spielzeuge kaufen. Sozusagen ein Neujahrsgeschenk für mich selbst.«
    Sie nahm eine Dose Futter aus dem Regal.
      »Wurde das nach dem Melamin-Skandal wegen der chinesischen Importe nicht verboten?«, entfuhr es ihr.
      »Ich glaube, das verwechseln Sie mit der Zahnpasta«, meinte der Mann zu der Frau im grauen Kittel. Sie hatte ein regloses Gesicht und Hängebacken. Das lange, schwarzgefärbte Haar war ihr aus der Spange gerutscht.
      »Ja, richtig, Zahnpasta«, erwiderte sie nun. Sie hatte denselben Akzent. »Viele Leute haben deshalb Leberschäden erlitten. Aber natürlich erfährt man nie die ganze Geschichte, zum Beispiel, ob sie vielleicht Alkoholiker waren und es deshalb schon vorher an der Leber hatten.«
      Shrew war nicht von gestern. Sie wusste von der Zahnpasta, die einige Leute das Leben gekostet hatte, weil sie Diethylen-Glykol enthielt. Der Mann und die Frau hatten sicher verstanden, wovon Shrew redete. Das hier war ein schlechter Ort - vielleicht der schlechteste auf der Welt -, und sie war zum ungünstigsten Moment hier erschienen. Einen ungünstigeren konnte es gar nicht geben, denn sie hatte etwas so Schreckliches gesehen, dass sie nie wieder die Alte sein würde.
    Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Es war der Abend des Neujahrstages. Keine Zoohandlung in der Stadt hatte geöffnet. Auch diese nicht. Was also machten die beiden hier?
    Nach ihrem Besuch im Keller kannte sie die Antwort.
      »Es ist wichtig, Missverständnisse aufzuklären«, wandte sich der Mann an Shrew. »Sie hatten da unten nichts zu suchen.«
      »Ich habe nichts gesehen.« Ein klarer Hinweis darauf, dass sie alles gesehen hatte.
      »Wenn ein Tier an einer ansteckenden Krankheit stirbt«, begann der Mann mit dem Stetson und dem Goldschmuck, »muss man tun, was nötig ist, und zwar so schnell wie möglich, damit die anderen Tiere es sich nicht einfangen. Und nachdem man das Tier von seinen Leiden erlöst hat, muss man es vorübergehend lagern. Ist Ihnen klar, worauf ich hinaus will?«
      Shrew bemerkte sechs leere Käfige, deren Türen weit offen standen. Sie wünschte, sie wären ihr schon vorhin aufgefallen. Vielleicht hätte sie dann auf dem Absatz kehrtgemacht. Sie dachte an die anderen leeren Käfige im Keller, die Gegenstände auf dem Tisch und dem, was sich in der Kühlkammer befand.
    Wieder brach sie in Tränen aus. »Aber einige haben sich
    noch bewegt«, sagte sie.
    »Wohnen Sie hier in der Nähe?«, erkundigte sich der Mann. »Eigentlich nicht.«
    »Wie heißen Sie?«
      Vor lauter Angst war sie so dumm, darauf zu antworten, und fügte dann überflüssigerweise hinzu: »Halten Sie mich etwa für eine Kontrolleurin des Landwirtschaftsministeriums oder eine Tierschützerin?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich wollte nichts weiter als einen Welpen kaufen und habe vergessen, dass heute Feiertag ist. Ich weiß, dass Tiere krank werden können.

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