Kay Scarpetta 16: Scarpetta
Anwesenheit eines Uniformierten in der Wohnung bemerkt. Der Mörder könnte ja zum Tatort zurückkehren.«
»Er hat eine Kamera auf dem Dach installiert«, ergänzte der Officer.
»Toll, wie schnell sich das Geheimnis herumgesprochen hat«, stellte Marino fest.
»Der einzige Mensch, der in die Wohnung zurückkehren könnte, ist Oscar Bane«, merkte Benton an. »Außer es laufen noch mehr Leute mit einem Haustürschlüsse1 herum. Und da er ziemlich paranoid ist, glaube ich nicht, dass er wieder hier aufkreuzt, um sich Zutritt zu verschaffen.«
»Ein Mensch in seinem Gemütszustand taucht eher in der Gerichtsmedizin auf, in der Hoffnung, noch einen Blick auf seine Liebste werfen zu können«, fügte Scarpetta hinzu.
Sie hatte entschieden, dass sie es satt hatte, den Mund zu halten. Schließlich gab es Möglichkeiten, wichtige Informationen weiterzugeben, ohne gegen die ärztliche Schweigepflicht zu verstoßen.
»Vielleicht wäre es eine gute Idee, die Patrouillen rund um die Gerichtsmedizin zu verstärken«, meinte Marino zu dem Officer. »Nur für den Fall, dass Oscar Bane dort erscheint. Aber tun Sie mir den Gefallen und benutzen Sie nicht das Funkgerät, sonst hört noch ein Reporter mit. Wir wollen ja nicht, dass jeder Zwerg in der Lower East Side angehalten und ausgefragt wird.«
Als ob die Straßen rings um die Gerichtsmedizin ein beliebter Tummelplatz für Kleinwüchsige gewesen wären.
»Falls Sie sich etwas zu essen holen wollen, hätten Sie jetzt Gelegenheit dazu«, fuhr Marino fort.
»Nein, danke, obwohl ich das Angebot gern annehmen würde«, erwiderte der Polizist mit einem Blick auf Berger. »Ich habe Befehl, hier zu bleiben. Und Sie müssen sich hier in die Liste eintragen.«
»Seien Sie doch nicht so verdammt dienstlich. Wir beißen nicht. Nicht einmal Ms. Berger«, antwortete Marino. »Außerdem brauchen wir ein bisschen Platz. Wenn Sie wollen, können Sie ja im Treppenhaus warten. Oder Sie machen eine kleine Pause. Ich gebe Ihnen eine Viertelstunde bevor wir gehen Bescheid. Aber dass Sie mir bloß nicht nach Florida verschwinden.«
Als der Officer die Wohnungstür öffnete, schlug Scarpetta der Geruch von verdorbenem Brathähnchen entgegen. Der Polizist nahm seine Jacke von der Lehne eines Klappstuhls und hob ein Taschenbuch, American Rust von Philipp Meyer, auf, das darunter auf dem Eichenparkett lag. Weiter durfte er sich in der Wohnung, ganz gleich aus welchem Grund, nicht bewegen. Damit er nicht in Versuchung geriet, markierten kleine grell orangefarbene Kegel die Punkte, wo Beweisstücke sichergestellt worden waren. Es spielte keine Rolle, ob er Durst oder Hunger bekam oder dringend zur Toilette musste. In diesen Fällen lautete die Vorschrift, einen Kollegen zu rufen, der ihn währenddessen ablöste. Er durfte sich nicht einmal setzen, wenn er nicht seinen eigenen Stuhl mitbrachte.
Scarpetta platzierte ihren Tatortkoffer an der Tür, nahm eine Digitalkamera, einen Notizblock, einen Stift und ein Maßband heraus und verteilte Handschuhe. Reglos und ohne zu sprechen, ließ sie den Blick durch die Wohnung schweifen. Bis auf die Markierungskegel war nichts Außergewöhnliches zu sehen, und nichts wies daraufhin, dass hier ein Gewaltverbrechen stattgefunden hatte. Die Wohnung war blitzblank, und Scarpetta entdeckte überall Anzeichen dafür, dass eine starre und zwanghafte Frau hier gelebt hatte und gestorben war.
Das geblümte Sofa und der dazu passende Sessel im Wohnzimmer waren penibel um einen Couchtisch aus Ahornholz gruppiert, die Zeitschriften darauf zu einem akkuraten Fächer angeordnet. Der Plasmafernseher von Pioneer in der Ecke hatte Standardgröße, schien neu zu sein und war genau auf die Mitte des Sofas ausgerichtet. Im Kamin stand ein Gesteck aus Seidenblumen. Der elfenbeinfarbene Berberteppich lag gerade und war sauber.
Nur die Kegel zeigten, dass die Polizei sich gründlich in der Wohnung umgeschaut hatte. In diesem neuen Zeitalter der Spurensicherung hatten die Beamten sicher Einweg-Schutzoveralls und Überschuhe getragen. Mit elektrostatischen Staubwedeln hatten sie den gebohnerten Parkettboden abgetastet. Anstelle von schwarzem Pulver zur Sicherung von Fingerabdrücken wurden inzwischen forensische Lichtquellen und Kameras benutzt. Gutausgebildete Spurensicherungsexperten wie die in New York richteten weder ein Durcheinander an, noch vernichteten sie Beweise.
Das Wohnzimmer ging in Esszimmer und Küche über. Die Wohnung war
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