Kay Scarpetta 16: Scarpetta
dies zumindest befürchteten. Unter dem Waschbecken standen große Flaschen mit Weißweinessig, den er vermutlich in sein Badewasser gab. Anfang Oktober hatte er sich Eszopiclone verschreiben lassen, ein Mittel gegen Schlaflosigkeit. Seitdem hatte er das Medikament zweimal nachgekauft, das letzte Mal in der Apothekenkette Duane Reade am 27. Dezember. Die Ärztin, die es ihm verordnet hatte, war Elizabeth Stuart. Scarpetta nahm sich vor, sie anzurufen, allerdings nicht hier und jetzt.
Sie durchsuchte das Schränkchen, in dem Oscar rezeptfreie Medikamente und Artikel wie Pflaster, Franzbranntwein und Verbandmull aufbewahrte - und ein Gleitmittel namens Aqualine. Gerade betrachtete sie es, als Morales hereinkam. Da auf der noch nicht angebrochenen Gleitmitteldose das Preisschild fehlte, konnte sie nicht sagen, wo es gekauft worden war.
»Ist das nicht so etwas wie Vaseline?«, erkundigte er sich. »So ähnlich«, antwortete sie.
»Meinen Sie, die im Labor können feststellen, ob es das Zeug ist, das auch in ihrer Vagina gefunden wurde?«
»Normalerweise verwendet man es zur Behandlung von Verletzungen«, erklärte Scarpetta. »Bei Verbrennungen zum Beispiel, entzündeter oder rissiger Haut, atopischer Dermatitis, Ekzemen und so weiter. Also nichts, worunter Oscar leidet. Auch bei Joggern, Radrennfahrern und Walkern ist es sehr beliebt und außerdem überall erhältlich. Man bekommt es in jeder Apotheke und in den meisten Supermärkten.«
Sie klang fast, als wollte sie Oscar Bane in Schutz nehmen. »Ja, wir wissen schließlich, dass unser kleiner Plattfuß Oscar ein eifriger Spaziergänger ist. Der Portier hat erzählt, er jogge beinahe jeden Tag, ganz gleich, wie das Wetter ist. Die Leiter befindet sich übrigens auf dem Dach. Wie seltsam. Der Portier hat keine Ahnung, warum. Ich denke, unser Kleiner ist die Feuerleiter hochgeklettert, durch eines seiner Fenster eingestiegen, hat das Haus durch die Dachluke wieder verlassen und die Leiter hinter sich nachgezogen. Das würde erklären, warum sie auf dem Dach liegt.«
»Warum sollte er so was tun?«
»Um reinzukommen.« Morales musterte sie forschend. »Wäre beim Öffnen des Fensters nicht die Alarmanlage losgegangen? «, fragte sie.
»Das ist sie auch. Ich habe die Sicherheitsfirma angerufen und mich erkundigt. Kurz nach Oscars Entlassung aus dem Bellevue wurde die Alarmanlage ausgelöst. Die Sicherheitsfirma hat in der Wohnung angerufen. Ein Mann war am Telefon, hat erklärt, es wäre ein Versehen gewesen, und hat das Passwort genannt. Sie ist nicht sehr laut. Also hat der Portier sie nicht gehört, insbesondere dann nicht, wenn sie sofort wieder abgeschaltet wurde. Was halten Sie davon?«
»Das habe ich mir noch nicht überlegt.«
»Schwachsinn, Sie haben doch sonst zu allem eine Meinung, Dr. CNN. Dafür sind Sie schließlich bekannt. Für Ihre tollen Theorien, wollte ich sagen.«
Als er sich dem Schrank näherte, den sie gerade durchsuchte, und nach der Dose Aqualine griff, rempelte er sie an. »Ein Chemiker könnte doch feststellen, ob es das gleiche Zeug ist, das auch in ihrem Körper sichergestellt wurde, oder? «, fragte er.
»Jedenfalls«, entgegnete sie, »würde er wissen, was es nicht ist, wie zum Beispiel K- Y, das bestimmte antiseptische Substanzen und Konservierungsmittel wie Sodiumhydroxid und Methylparaben enthält. Aqualine ist konservierungsmittelfrei und besteht hauptsächlich aus Mineralöl und Petrolatum. Ich bin ziemlich sicher, dass nichts dergleichen in Terris Wohnung gefunden wurde. Zumindest steht es nicht auf der Liste der Beweismittel. Außerdem habe ich in der Hausapotheke nachgesehen, als ich dort war. Das müssten Sie doch wissen.«
»Das schließt nicht aus, dass er die Mordwerkzeuge bei sich hatte und wieder mitgenommen hat. Damit meinte ich nicht Oscar, sondern den Mörder im Allgemeinen, was nicht heißt, dass es nicht ein und dieselbe Person sein könnte.«
Morales' braune Augen betrachteten sie eindringlich. Er schien die Situation zu genießen, wirkte aber gleichzeitig verärgert.
»Allerdings haben Sie recht, dass nichts in ihrer Wohnung gefunden wurde«, fuhr er fort. »Letzte Nacht wusste ich nicht, dass wir nach einem Gleitmittel suchen sollen, weil die Autopsie noch nicht durchgeführt worden war. Aber anschließend bin ich wieder hin und habe nachgesehen.«
Scarpetta hörte zum ersten Mal, dass er erneut in der Wohnung gewesen war. Sie dachte an Terris Arbeitszimmer und Marinos
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