Kay Scarpetta 16: Scarpetta
Als einziges Schmuckstück trug sie links ein dünnes Fußkettchen, genau wie Terri Bridges.
»Hat sie es zugegeben?«, hakte Scarpetta nach. »Oder hast du es nach der Ausschlussmethode rausgekriegt? «
»Mir gegenüber hat sie gar nichts zugegeben. Und es wäre mir auch lieber, wenn das so bliebe.«
»Es gibt offenbar eine ganze Menge Dinge, die du lieber nicht von ihr hören möchtest«, entgegnete Scarpetta.
»Ich habe ihr genug zu sagen, und zwar auf eine Art und Weise, die niemanden in Schwierigkeiten bringt«, entgegnete Berger. »Aber ich verstehe genau, was du meinst.«
Scarpetta musterte den schwarzweiß gefliesten Boden, bevor sie den ersten von einem Überschuh aus Papier geschützten Fuß in den Raum setzte. Das eine Thermometer legte sie auf den Badewannenrand, das andere steckte sie Eva Peebles unter die linke Achselhöhle.
»Soweit ich es nachvollziehen kann«, fuhr Berger fort, »hat das Virus, das die Website zum Absturz gebracht hat, ihr auch ermöglicht, sich einzuhacken. Mit dieser Methode hat sie sich Zugriff auf Eva Peebles' E-Mail- Verkehr verschafft, frag mich nicht, wie. Lucy hat einen Ordner entdeckt, der praktisch jede jemals in Gotham Gotcha veröffentlichte Kolumne enthält, einschließlich der von heute Morgen und von heute Nachmittag. Außerdem hat sie das Foto von Marilyn Monroe gefunden, das Eva Peebles offenbar geöffnet hat. Mit anderen Worten, diese Frau« - damit meinte sie die Ermordete - »hat die Kolumne nicht selbst geschrieben. Sie wurden ihr von verschiedenen IP-Adressen, die laut Lucy anonymisiert sind, per E-Mail geschickt. Da es sich hier wieder um einen Mord mit möglichem E-Mail-Zusammenhang handelt, wird der Provider uns sicherlich verraten müssen, wem das Konto gehört.«
Scarpetta reichte ihr Notizblock und Stift. »Möchtest du mitschreiben? Raumtemperatur sechzehn Grad, Körpertemperatur neunundzwanzig Komma sieben. Das verrät uns nicht viel, da sie unbekleidet ist und es im Raum immer kühler wird. Leichenstarre noch nicht eingetreten. Auch nicht weiter überraschend. Auskühlung verzögert sie nämlich. Wann genau hat sie denn die Polizei angerufen?«
»Exakt um acht Uhr neunundvierzig.« Berger machte sich Notizen. »Allerdings haben wir keine Ahnung, wann sie in der Tierhandlung war. Es muss etwa eine Stunde vor ihrem Anruf bei der Polizei gewesen sein.«
»Ich würde mir gern das Band anhören«, sagte Scarpetta. Sie umfasste die Hüften der Leiche, um die ständigen langsamen Umdrehungen aufzuhalten, betrachtete sie gründlich, leuchtete sie mit der Taschenlampe ab und entdeckte eine glänzende Substanz im Vaginalbereich.
»Uns ist bekannt, dass sie angeblich Jake Loudin begegnet war. Wenn er also der Letzte ist, der sie lebend gesehen hat ... ? «, stellte Berger fest.
»Die Frage ist, ob er wirklich der Letzte war. Könnte eine persönliche Beziehung zwischen Jake Loudin und Terri Bridges bestehen?«
»Vielleicht rein zufällig.«
Berger berichtete ihr von Marinos Befragung vom Nachmittag und von dem Welpen, einem Boston Terrier namens Ivy, den Terri hatte loswerden wollen. Sie fügte hinzu, es stehe nicht fest, wer Terri den kranken Welpen geschenkt habe. Vielleicht Oscar. Vielleicht eine dritte Person. Möglicherweise stammte der Hund ja aus einer von Jake Loudins Zoohandlungen. Aber das sei im Nachhinein nicht mehr herauszufinden.
»Ich brauche nicht eigens zu betonen, dass er ziemlich außer sich ist«, sprach Berger weiter und meinte damit Marino. »Es ist der Albtraum jedes Polizisten, wenn ein Zeuge nach der Befragung ermordet wird. Man macht sich Vorwürfe, ob man es nicht hätte verhindern können.«
Scarpetta hielt die Leiche fest und musterte die gallertartige Masse, die in dem grauen Schamhaar und an den Schamlippen klebte. Das Fenster wollte sie nicht schließen, bevor die Polizei die Spuren dort nicht mit den geeigneten Methoden gesichert hatte.
»Irgendein Gleitmittel«, sagte sie. »Kannst du nachfragen, ob Lucys Flugzeug schon in LaGuardia gestartet ist?«
Berger rief sie vom drei Türen entfernten Wohnzimmer aus an.
»In diesem Fall ist es kein Pech, sondern Glück«, meinte sie zu Lucy. »Wir müssen nämlich noch etwas mitschicken. Spitze. Vielen Dank.«
»Sturmwarnung«, erklärte sie Scarpetta, nachdem sie das Telefonat beendet hatte. »Die Maschine steht noch auf dem Rollfeld.«
29
Die auf dem Toilettensitz in Eva Peebles' Badezimmer sichergestellten
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