Kay Scarpetta 16: Scarpetta
überlegt. Ein Mensch, mit dem man hin und wieder ein paar Worte wechselt, steht plötzlich mit einem Korb, der mit einem Tuch abgedeckt ist, vor der Tür. So, als wollte sie mir etwas Selbstgebackenes bringen. Sie meinte, sie müsse ein neues Zuhause für den Welpen finden und ob ich ihn bitte aufnehmen würde. Ich würde doch allein leben und zu Hause arbeiten, und sie wisse nicht, an wen sie sich sonst wenden könne.«
»Wann war das?«
»So gegen Thanksgiving. Ich habe ihr erzählt, dass das Hündchen gestorben ist. Das war etwa eine Woche später, als ich sie zufällig auf der Straße traf. Sie war sehr bestürzt und hat sich bei mir entschuldigt. Sie wollte mir sogar einen neuen Hund kaufen, solange ich ihn selbst aussuchte. Ihr Vorschlag war, sie werde mir das Geld dafür geben, was ich ziemlich unpersönlich fand. Ich sehe schon, wie es bei Ihnen rattert. Sie fragen sich, ob ich jemals in ihrer Wohnung war, aber das war ich nicht. Ich habe noch nicht einmal das Gebäude betreten und deshalb auch nicht die geringste Ahnung, ob sie etwas besitzt, das einen Einbrecher interessieren könnte. Schmuck zum Beispiel. Ich kann mich nicht erinnern, je teuren Schmuck an ihr gesehen zu haben. Ich glaube, sie trägt überhaupt keinen. Ich habe mich erkundigt, warum ich um alles in der Welt einen Welpen in demselben Laden kaufen sollte, in dem ihr Freund Ivy besorgt hat. Sie erwiderte, sie habe auch nicht die Absicht, jemals wieder einen Fuß in diesen Laden zu setzen. Allerdings sei nicht jede Zoohandlung so schlecht wie der Puppingham Palace. Sie meinte, die Kette Tell-Tail-Hearts sei ausgezeichnet, und sie werde mir gern das Geld geben, falls ich mir in einer Filiale in New York oder New Jersey einen Hund aussuchen wolle. Offen gestanden werde ich angesichts der Ereignisse vielleicht sogar auf ihr Angebot zurückkommen. Einen Hund, der bellt und knurrt. Kein Einbrecher wagt sich in eine Wohnung, in der ein Hund ist.«
»Man muss ihn aber Gassi führen«, wandte Detective Marino ein. »Auch mitten in der Nacht. Und das wiederum birgt die Gefahr, dass Sie überfallen werden oder sich in der Zwischenzeit jemand Zutritt zum Haus oder sogar zu Ihrer Wohnung verschafft.«
»Was meine Sicherheit angeht, bin ich nicht naiv«, entgegnete Shrew. »Mit einem kleinen Hund muss man nicht ständig raus. Dafür gibt es Unterlagen zum Draufpinkeln. Vor langer Zeit hatte ich einmal einen Yorkshireterrier, dem ich sogar beigebracht habe, das Katzenklo zu benutzen. Er passte in meine Handfläche, konnte aber bellen wie ein Wilder. Außerdem schnappte er anderen Leuten nach den Knöcheln. Wenn wir in einem Aufzug waren oder Besuch hatten, musste ich ihn auf den Arm nehmen. Mit Ivy bin ich nie nach draußen gegangen. Das Hündchen war viel zu klein und zu krank, und dann diese schmutzigen Bürgersteige. Ich bin sicher, dass sie den Parvovirus bereits hatte, als Terris Freund sie in diesem grässlichen Puppingham Palace gekauft hat.«
»Was macht Sie so sicher, dass der Hund von ihrem Freund war?«
Shrew umfasste ihr Glas mit beiden Händen und dachte über seine Worte nach.
Der Lehnsessel knarzte, während er sie abwartend ansah. »Ich ziehe voreilige Schlussfolgerungen«, sagte sie. »Sie haben recht.«
»Ich habe eine Idee. Das schlage ich allen Zeugen vor, mit denen ich spreche.« »Zeugen?«
»Sie kannten sie. Sie wohnen gegenüber.«
Wovon sollte sie denn Zeugin gewesen sein?, fragte sie sich, während sie weiter das Papiertaschentuch zerriss und zur Decke starrte, in der Hoffnung, dass sich dahinter keine Klappe befand.
»Stellen Sie sich vor, Sie schrieben ein Drehbuch für einen Film«, fuhr er fort. »Haben Sie Papier und Stift zur Hand? Terri gibt Ihnen die kleine Ivy. Schreiben Sie die Szene für mich auf. Ich bleibe einfach still sitzen, bis Sie fertig sind. Und dann lesen Sie es mir vor.«
7
Nach dem 11. September hatte sich die Stadt zum Bau eines fünfzehnstöckigen DNA-Labors für das Gerichtsmedizinische Institut entschlossen, das aussah wie ein Bürohochhaus aus blauem Glas.
Die Verfahren zur Untersuchung von DNA-Spuren, einschließlich STR-Analyse, SNP-Analyse und LCN -Analyse, waren inzwischen so weit fortgeschritten, dass Wissenschaftler Proben untersuchen konnten, die siebzehnmal kleiner als eine menschliche Zelle waren. Wenn Berger eine DNA-Analyse in einer wichtigen Angelegenheit in Auftrag gab, konnte sie sie theoretisch innerhalb weniger Stunden bekommen.
»Keinerlei
Weitere Kostenlose Bücher