Kay Scarpetta 16: Scarpetta
Aber sie kriegt sie schon. Sobald sie die E-Mail-Konten ermittelt hat, wenden wir uns an die Internet-Provider und beschaffen uns die Passwörter. Auch das von Oscar.«
»Als du dich mit ihr getroffen hast, um die weitere Vorgehensweise ... «
»Ich habe mich noch nicht mit ihr getroffen«, unterbrach ihn Berger. »Wir haben nur kurz miteinander telefoniert. Ich bin überrascht, weil du mir nicht gesagt hast, dass sie wieder in die Stadt gezogen ist. Aber andererseits sollte mich bei dir nichts mehr überraschen.« Sie griff nach ihrer Kaffeetasse. »Ich musste aus anderen Quellen erfahren, dass sie zurück ist und eine Firma eröffnet hat. Sie hat sich rasch einen guten Ruf erworben, ein Grund, warum ich sie in diesem besonderen Fall um Hilfe gebeten habe.«
Sie trank von ihrem Kaffee und stellte die Tasse wieder weg.
Jede Bewegung war ruhig und bedächtig.
»Du musst verstehen, dass er und ich normalerweise keinen Umgang miteinander haben«, sagte sie.
Sie meinte Marino. Das Kreuzverhör hatte begonnen. »Ausgehend von dem, was ich weiß, vorausgesetzt, es stimmt«, fuhr sie fort, »kann ich mir nicht vorstellen, dass Lucy sich bei ihm gemeldet hat oder Kontakt zu ihm hält. Wahrscheinlich ahnt sie gar nicht, dass er hier ist. Mich wundert, dass du es ihr nicht erzählt hast. Oder unterstelle ich dir da etwas? Hast du es ihr erzählt?«
»Nein.«
»Das ist wirklich ein starkes Stück. Sie zieht wieder nach New York, und du verschweigst ihr, dass er hier ist. Quicklebendig und mein Mitarbeiter bei der Staatsanwaltschaft. Vielleicht wäre sein Geheimnis noch ein wenig länger gewahrt geblieben, wenn er nicht das Pech gehabt hätte, letzten Monat Oscar Banes Anruf anzunehmen.«
»Lucy arbeitet immer noch am Aufbau ihrer Firma und hatte noch nicht viele Fälle«, erwiderte Benton. »Ein paar Aufträge in der Bronx und in Queens. Das hier wird ihr erster in Manhattan, mit anderen Worten, für deine Behörde. Natürlich werden sie und Marino sich eines Tages über den Weg laufen, und ich erwarte, dass die Begegnung zivilisiert und professionell vonstatten geht.«
»Du erwartest nichts dergleichen, Benton. Du verschließt lediglich die Augen vor der Wahrheit. In deiner Verzweiflung hast du falsche Entscheidungen getroffen und die Folgen nicht logisch durchdacht. Und nun steuern die beiden von dir so sorgfältig getrennten Welten unaufhaltsam aufeinander zu. Es muss ein tolles Gefühl sein, Menschen wie Schachfiguren herumzuschieben, nur um eines Tages beim Aufwachen festzustellen, dass zwei deiner Bauern sich wegen einer albernen Klatschkolumne gegenüberstehen und sich womöglich vom Spielbrett stoßen werden. Lass mich kurz zusammenfassen, was geschehen ist.«
Mit einer leichten Handbewegung verscheuchte sie die Kellnerin, die sich mit der Kaffeekanne näherte.
»Dein ursprünglicher Plan sah als Wohnort nicht New York vor«, begann Berger.
»Ich konnte doch nicht ahnen, dass das John Jay ... « »Euch beide als Gastdozenten und Berater einstellt? Ich wette, du hast versucht, Kay die Sache auszureden.« »Ich hielt es für unklug.«
»Selbstverständlich. «
»Sie hatte gerade wieder als Chief Medical Examiner angefangen und ihr gesamtes Leben auf den Kopf gestellt. Deshalb habe ich ihr davon abgeraten, sich noch mehr Arbeit und Stress aufzuhalsen, und ihr empfohlen, die Finger davon zu lassen.«
»Selbstverständlich. «
»Aber sie hat darauf bestanden. Sie wollte helfen, wo sie konnte.«
»Typisch Kay«, erwiderte Berger. »Immer hilfsbereit, immer zur Stelle. Die Welt ist ihre Bühne und nicht irgendein Nest in Massachusetts. Und zu sehr abraten durftest du ihr auch nicht, denn dann hättest du ihr irgendwann eröffnen müssen, warum du sie partout von New York fernhalten willst. Das war dein Problem. Marino hattest du ja bereits nach New York verfrachtet, und wenn wir ehrlich sind, bist du mir so lange in den Ohren gelegen, bis ich ihn eingestellt habe. Und nun wird auch Kay häufig in New York sein, um die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen zu unterstützen. Und da ihr beide in New York seid, folgt Lucy euch natürlich in den Big Apple. Greenwich Village ist doch ein Paradies für sie. Wie kommt es, dass du beim Aushecken deines wundervollen Plans nicht daran gedacht hast? Und deshalb hast du vermutlich auch nicht damit gerechnet, dass ich dahinterkommen könnte, warum du Marino wirklich in meiner Behörde untergebracht hast.«
»Ich möchte nicht
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