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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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verschwinden lassen. Aber zuerst werde ich mir dich vornehmen, weil du dich einmischst, Freund . . . «
Das Punjab-Lasso brachte ihn zum Schweigen, ehe er den Abzug betätigen konnte. Als es dunkel geworden war, schleifte ich den Leichnam hinaus auf die Straße, wo noch andere vergessene Tote lagen.
Dann ging ich zurück, um das Schießpulver zu holen.
Geduldig transportierte ich die Fässer in einem Boot über den See und verstaute sie mit seltsamem, geheimem Vergnügen in meinem eigenen Keller.
Ich hatte meine Lebenskraft in dieses großartige Monument investiert, hatte es von seinen Anfängen an gehegt und seinen schönen Körper aus Stein und Marmor wie ein zärtlicher Liebhaber gestreichelt. Wenn je der Tag käme, an dem dieses kostbare Bauwerk zu einem Haufen Staub und Geröll wurde, dann würde es meine Hand sein, die die Zündschnur in Brand steckte. Meine allein.
Diese angespannten, unbehaglichen Wochen der Besetzung und unverzeihlichen Schändung machten mir klar, daß ich nun rücksichtslose Maßnahmen ergreifen mußte, um meine Zuflucht vor dem Rest der Menschheit zu sichern. Ich fügte meinem ursprünglichen Entwurf eine Folterkammer hinzu, eine exakte Nachbildung der sechseckigen, verspiegelten Kammer, die ich einst für die Khanum gebaut hatte. Sie war nicht mehr und nicht weniger als eine einfache Menschenfalle: Kein Störenfried, der in sie eindrang, würde wieder herausfinden, es sei denn durch Selbstmord. Die Kammer lag unter dem Bühnenbereich und hatte eine Falltür, durch die man in den dritten Keller gelangte; außerdem war sie eine nützliche Abkürzung des Rückweges zu meiner Wohnung. Es gab mehr als sechstausend Stufen in der Oper, und die meisten davon führten nach unten, da kam eine Abkürzung nicht ungelegen.
Unter der unterirdischen Wasserfläche verlegte ich ein Kabel, das mit einer einfachen elektrischen Glocke verbunden war und Eindringlinge auf dem See rechtzeitig ankündigte. So war mein ganzes Labyrinth mit todbringenden Drähten ausgestattet, ein riesiges Gewebe, das das geheime Lager des Minotaurus umgab.
Mochten unwissende, arglose Menschen ihre Schritte hüten in dem von mir geschaffenen Irrgarten.
Nicht alle Wege führten nach Rom.
6. Kapitel
    Binnen eines Monats nach der Kapitulation der Kommune befuhren wieder Omnibusse und fiacres die Straßen, und Prostituierte flanierten wie eh und je über den Boulevard des Italiens. Es war, als seien die Schrecken nie gewesen. Und doch war Paris auf immer verändert, durch den Geschmack der Niederlage verhärtet und verbittert. Der Todeskampf einer stolzen Stadt würde nie verziehen werden, und der Haß auf die Deutschen saß tief.
    Die Arbeit an der Oper wurde fortgesetzt, mit all den unvermeidlichen Verzögerungen und Widrigkeiten, die die Nachwehen von Krieg und Revolution waren. Garnier kämpfte verzweifelt, um einen Bau zu vollenden, der nun von der neuen Regierung mit größter Skepsis angesehen wurde. Bis es ihm endlich gelang, nach unsäglichem Ringen den Eröffnungsabend der Oper zu erreichen, hatte ich bereits viele Jahre behaglich in den Eingeweiden des fünften Kellers gehaust.
    Das Haus in Boscherville war verkauft worden. In tiefer Nacht hatten Jules und ich die Möbel meiner Mutter im Boot über den unterirdischen See transportiert. Er hatte mir keine Fragen gestellt, wie üblich, sondern meinen Anweisungen wortlos gehorcht. Doch ich sah die Angst in seinem Gesicht, als er sich in meiner einzigartigen Wohnung befand. In seinen Augen blitzte die entsetzenerregende Erkenntnis auf, daß er diesen Ort niemals lebend würde verlassen dürfen.
    Als das letzte Möbelstück an seinem Platz war, stand er in meinem Schlafzimmer und starrte hoffnungslos auf den prachtvollen offenen Sarg auf seinem Podest, die schwarzen Trauerkerzen und die Begräbnistapisserien.
»Jetzt werden Sie mich umbringen, nicht wahr, Monsieur?« sagte er benommen. »Sie werden mich umbringen, weil ich zuviel weiß.«
    Ich wandte mich um und betrachtete seine verzagte Gestalt mit plötzlichem Mitleid. Als ich ihn kennenlernte, war er ein Mann gewesen, jung und eifrig, bereit, hinauszugehen und der Welt seinen Stempel aufzudrücken. Nachdem ich ihn zwanzig Jahre lang wie eine Marionette durch meine Stimmbänder beherrscht hatte, hatte er jede Initiative verloren und war nur noch die hirnlose Null, die ich nun vor mir sah. Ich hatte ihm Unabhängigkeit und Unternehmungslust so sehr ausgetrieben, daß er völlig unfähig war, allein in einer harten Welt zu

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