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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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nicht mehr . . . «
Sie log. Das Kind war die ganze Treppe heruntergestürzt und lag nun bleich in ihren Armen. Ich wollte die Treppe hinaufgehen, doch beim Angstschrei der Frau erstarrte ich.
»Rühren Sie sie nicht an! Rühren Sie sie nicht an!«
»Madame . . . «
»Warum müssen Sie herkommen?« rief sie, plötzlich aggressiv statt ängstlich. »Die Kinder erschrecken. Alle erschrecken. Warum bleiben Sie nicht, wo Sie hergekommen sind?«
»Annette!« keuchte Jules entsetzt. »Annette . . . um Gottes willen . . . sei still!«
»Wir brauchen Ihre kalte Barmherzigkeit nicht«, fuhr sie fort, noch immer auf der Treppe stehend, »wir brauchen Ihr Geld nicht. Meine Kinder werden Sie nicht kaufen, wie Sie meinen Mann gekauft haben. Gehen Sie fort, Monsieur, und kommen Sie nicht wieder. Hören Sie . . . kommen Sie nie wieder hierher!«
Sie drehte sich um und rannte die Treppe hinauf. Unmittelbar danach fiel krachend die Tür zu einem Zimmer voll weinender Kinder ins Schloß.
Langsam ging ich wieder zu Jules, der mit an die Brust gepreßten Fäusten vor mir stand.
»Monsieur . . . « flüsterte er hilflos. »Monsieur, bitte verzeihen Sie den Ausbruch meiner Frau. Sie ist nicht bei Sinnen, sie wollte Sie nicht beleidigen . . . sie . . . «
Mit einem Blick brachte ich ihn zum Schweigen und warf zweihundert Francs auf den schäbigen Tisch im Flur.
»Holen Sie rasch einen Arzt für das Kind«, sagte ich kühl und verließ das Haus.
Ich ging durch die verwahrlosten, schneebedeckten Straßen zurück. Am Ufer der Seine blieb ich stehen, um die Eisschollen zu betrachten, die den Fluß blockierten. Ich hörte, wie eine Prostituierte einen vorbeigehenden Soldaten ansprach.
»Monsieur, für ein Stück Brot nehme ich Sie mit in mein Zimmer.«
Der Mann hielt inne und sagte etwas, aber ich konnte seine Antwort nicht hören: Gleich darauf gingen die beiden zusammen in Richtung Rue de Grenelle.
Ich starrte hinaus auf den vereisten Fluß und dachte kurz darüber nach, wie hungrig eine Frau wohl sein müsse, um als Entgelt für ihre Dienste von mir ein Stück Brot anzunehmen. Ich hatte nie gewagt, mich einer Prostituierten zu nähern, ich hätte die Erniedrigung nicht ertragen können, wenn sie mein Geld zurückwies. Die Erinnerung an das kleine Sklavenmädchen in Persien brannte noch immer in meinem Gedächtnis.
Etwas zupfte am Saum meines Umhangs. Als ich mich umwandte, weil ich dachte, der elegante Kaschmirstoff sei an den Resten eines Zaunpfahls hängengeblieben, stellte ich fest, daß sich auch mir eine verzweifelt hungrige Dame genähert hatte, eine sehr kleine Dame.
Dort auf dem Pflaster, fast nicht zu erkennen im schmutzigen Schnee, saß ein cremefarbenes Kätzchen, dessen schokoladenbraune Pfoten sich in dem Stoff verheddert hatten.
Mit einem Ausruf ungläubigen Entzückens hob ich sie auf und betrachtete sie im Licht der Gaslampe. Ihr Fell war schmutzverkrustet, aber ihre Rasse war ebenso unverkennbar wie unglaublich. Es gab keine Siamkatzen in Europa, und doch hielt ich eine in den Händen. Offenbar war es irgendeinem unternehmenden französischen Reisenden gelungen, ein trächtiges Weibchen aus dem Palast in Bangkok zu schmuggeln, da er wußte, daß die Kaiserin Eugénie bereit sein würde, für ein so einzigartiges Tier eine hübsche Summe zu bezahlen. Dann würden reiche Damen im ganzen Land ebenfalls eine solche Attraktion besitzen wollen. Zweifellos hatte der Mann erwartet, ein Vermögen zu verdienen.
Doch die Kaiserin war geflohen, und die Reichen aßen jetzt ihre vollblütigen Rennpferde. Niemand war daran interessiert, ein weiteres Maul stopfen zu müssen, man interessierte sich höchstens für einen kleinen Extrabissen im Kochtopf. Tote Katzen waren ein modischer Ersatz für Blumen oder Süßigkeiten als Gabe für einen kranken Freund geworden; gekochtes Katzenfleisch, mit Pistazienkernen und Oliven serviert, galt Kennern als Delikatesse. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, welch schreckliches Ende die Katzenmutter und der Rest ihres Wurfs genommen hatten.
Doch dieses kleine Geschöpf war zum Überleben geboren; ich sah das an dem ununterdrückbaren schelmischen Ausdruck seiner blauen Augen. Das Schicksal, das manchen auch unter den widrigsten Umständen begünstigt, hatte es zu einem Mann geführt, der eher Hunger gestorben wäre, als ihm das hübsche Fell abzuziehen. Ich barg das Tier unter meinem Umhang und eilte mit neuem Lebensmut durch die Straßen.
Ayesha veränderte mein Leben. Mehr als fünfzehntausend Kilo

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