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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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Idee.
Das corps de ballet nannte mich bereits »das Phantom der Oper«,
ein faszinierender Spitzname, den ich sehr attraktiv fand, bis mir klar wurde, daß ich meine gelegentlichen Botschaften dann auch
mit PDO zu unterzeichnen hatte.
So wurde ich zu PDO, und ich bin es geblieben.
Rückblickend war die ganze Sache geradezu kriminell einfach zu arrangieren.
    Ich war mit zwei Direktoren gesegnet, die beide keine Geistesriesen waren; einen davon hätte man getrost als größten Narren in der Geschichte des Theaters bezeichnen können. Poligny. Ach, lieber, leichtgläubiger Poligny, Ihre interessanten kleinen persönlichen Laster kamen mir ebenso zupaß wie Ihr schlichter Geist. Ich erschreckte Sie zu Tode in jener Nacht in Loge Fünf, als Sie meine Stimme zum ersten Mal hörten. Denn einen Geist, der so viel über Ihre dubiosen Privataffären wußte, mußte man doch bei Laune halten, nicht wahr? Vor allem, wenn seine Bedingungen so vernünftig waren.
    Zwanzigtausend Francs im Monat, und Loge Fünf im ersten Rang mußte exklusiv für meinen persönlichen Gebrauch reserviert bleiben.
    Erpressung? Kaum. Ein wirklich effizienter Geist ist heutzutage schwer zu haben. Und niemand vermochte zu sagen, ob ich nicht auf meine Art mein Geld wert war.
    Poligny verließ Loge Fünf weiß wie ein Laken. Er hatte die Anweisung, meine Bedingungen in den Pachtvertrag des Opernhauses zu schreiben.
    Ich erwartete eine Periode längerer Kämpfe, insbesondere mit seinem Partner Debienne, aber eine kurze Manifestation meines Mißvergnügens reichte aus, um sie beide zur Kapitulation zu bewegen. Mein Ruf beim corps de ballet war ins Maßlose gewachsen und hatte den größten Teil der Arbeit für mich erledigt. Alle glaubten längst an den Geist. Es war kaum vorstellbar, wie rasch ich Macht über sie gewann und wie selten ich mit der Peitsche knallen mußte, um sie daran zu erinnern, wer hier der Herr im Hause war. Ein wenig Magie, ein paar schlaue Tricks als Bauchredner, und ich hatte sie in der Hand.
    Mit ähnlichen Maßnahmen gewann ich die wertvollen Dienste von Madame Giry, der Logenschließerin. Mit Hilfe der alten Dame, die als Mittlerin fungierte, errichtete ich ein vollkommen narrensicheres System, um meine ungewöhnliche Gage in Empfang zu nehmen. Oh, sie versuchten, mir auf die Spur zu kommen, natürlich. Aber die ständigen Mißerfolge steigerten nur ihre Angst vor mir, und vom Einschalten der Polizei wollte Poligny nichts hören. Er hatte viel zuviel zu verbergen.
    Nachdem so das Muster meines künftigen Lebens festgelegt war, verlief meine Existenz mit schöner Regelmäßigkeit in einem öden und leeren, von keiner Emotion gestörten Kontinuum. Ich lauschte den endlosen Opern und studierte mit kritischer Distanz Gesang. Ich schrieb Botschaften an die Direktion, wann immer ich Anlaß zu Klagen hatte . . . ein kleines Sendschreiben vom PDO, das auf geheimnisvolle Weise durch verschlossene Türen auf dem Schreibtisch im Direktionsbüro landete, verdarb Poligny garantiert für den Rest des Tages die Laune. Manchmal beschwerte ich mich einfach um des Vergnügens willen, ihn aufzuziehen wie eine Spieluhr. Gelegentlich mischte ich mich sogar in Besetzungsfragen ein. Ich sorgte dafür, daß Madame Girys kleine Tochter Meg zur Solotänzerin befördert wurde; die Kleine konnte ebensogut tanzen wie alle anderen, und es kostete mich sehr wenig Anstrengung, ihre verwitwete Mutter stolz lächeln zu lassen. Im großen und ganzen jedoch blieb ich der Beschränktheit und Mittelmäßigkeit der Vorstellungen gegenüber vollkommen gleichgültig. Sehr wenige Leuten besuchten die Pariser Oper wegen der Qualität ihrer Musik. Man ging hin, um zu sehen und gesehen zu werden.
    Inzwischen war ich ohnehin den meisten Dingen gegenüber gleichgültig. Ich hatte die mittleren Jahre erreicht und die wütenden Enttäuschungen der Jugend überwunden.
    Alle Gefühle und jegliches Bedauern lagen nun hinter mir, nachdem ich freiwillig die Existenz eines lebenden Toten auf mich genommen hatte.
Ich rechnete nicht damit, je wieder etwas zu fühlen.
7. Kapitel
    Sechs Jahre vergingen recht friedlich. Ich wußte das, weil ich jeden Tag gewissenhaft auf einem Kalender durchstrich. In der ewigen Dunkelheit wäre es nur zu leicht gewesen, das Zeitgefühl zu verlieren und sich langsam ins Vergessen sinken zu lassen, in die bequeme Achtlosigkeit zu verfallen, die unweigerlich zur Entdeckung führen würde. Ich darf sogar sagen, daß ich von Jahr zu Jahr exzentrischer wurde,

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