Kay Susan
bestehe darauf. Du mußt angemessen gekleidet
sein, um meine Gäste zu empfangen.«
»Gäste!« Sie starrte mich verständnislos an.
»Hochzeitsgäste, meine Liebe. Oder Zeugen des Verbrechens,
wenn dir das lieber ist. Und nun tue, was ich sage. Ich gebe dir eine halbe Stunde, um dich auf den Empfang vorzubereiten.«
Ich schloß sie in ihr Zimmer ein, so ruhig, als hätte ich das schon oft getan, erstaunt, wie einfach es war, ein lebendes Wesen in einen Käfig zu sperren. Kein Schuldgefühl, keine Reue. Ich war nicht länger fähig, ihretwegen zu leiden.
Ich ging in mein Zimmer, legte mein Kostüm ab und zog zum ersten Mal in meinem Leben vor einem mannshohen Spiegel meinen Abendanzug an. Spiegel hatten ihre Macht verloren, mich zu verletzen.
Musik strömte durch meinen Kopf wie eine Flutwelle, trieb mich mit unwiderstehlicher Macht auf die Orgel zu. Der letzte Akt von Der Triumph des Don Juan schrieb sich selbst, ich war nur das Medium, das diese donnernde Kakophonie von Tönen realisierte.
Es war, als entströme Wahnsinn meinen Fingerspitzen. Ich hatte nie zuvor so gespielt, meinem Gehör nie so wilde Foltern auferlegt. Musik, die Haß erzeugte, Musik, die Mordlust weckte. Weiter und weiter spielte ich, bis die Tastatur zu brennen schien und meine Finger zurückzuckten, als erhielten sie elektrische Schläge.
Die plötzliche Stille im Haus war betäubend.
Die Musik war nichts Geringeres gewesen als ein gewaltsamer körperlicher Angriff, und plötzlich erinnerte ich mich mit schrecklicher Angst an Christine.
Als ich ihr Zimmer betrat, kniete sie auf dem Boden an der Wand, ihre Stirn war blutverschmiert.
Ich brauchte nicht zu fragen, wie sie sich verletzt hatte. Ich war weder überrascht noch schockiert, nur ärgerlich, daß ich dumm genug gewesen war, sie allein zu lassen, während meine Musik ihre Sinne gnadenlos peitschte.
Ich trug sie in mein Zimmer, legte sie auf die Couch und versorgte ihre Verletzungen mit professioneller Gleichgültigkeit. Wie unglaublich, daß Haß so vollkommen von Liebe heilen kann. Ich hätte einen Leichnam berühren können, so ruhig, losgelöst und frei von jeder Zärtlichkeit fühlte ich mich.
»Warum lachst du?« fragte sie ängstlich.
»Ich lache über dich, meine Liebe, über deinen wirklich bemerkenswerten Unverstand. Du weißt nicht einmal, wie du es anstellen mußt, dich richtig umzubringen, nicht wahr? Was hast du nun erreicht, außer Kopfschmerzen und einem ruinierten Kleid? Du bist wirklich nicht sehr praktisch. Warum hast du mich nicht vorher gefragt? Ich hätte dich mit größtem Vergnügen von meiner beträchtlichen Erfahrung mit dem Tod profitieren lassen.
»Sprich nicht so«, flüsterte sie. »Bitte, Erik, sprich nicht mit diesem Lachen über den Tod. Das erschreckt mich.«
Ich zuckte gleichgültig die Achseln, als ich auf ihr bleiches Gesicht blickte.
»Ja, ich glaube, ich erinnere mich, wie leicht man dich erschrecken kann, Christine. Aber du solltest wirklich keine Angst vor dem Tod haben. Er ist gar nicht so unzugänglich, und wie jedermann liebt er etwas Abwechslung bei seiner Arbeit, so vergeht die Zeit schneller. Ich nehme daher an, daß er sich über den Kronleuchter ziemlich amüsiert hat. Mir lag nie viel an diesem Kronleuchter. Und dir? Ich weiß noch, wie ich Garnier sagte, er sei ziemlich überladen, aber er wollte natürlich nicht auf mich hören. Er hatte manchmal einen etwas vulgären Geschmack, und er haßte Kritik . . . wie die meisten Künstler . . . «
Sie lag auf der Couch, reglos wie eine Statue, die Hände in die glatten Satinfalten des Brautkleides geklammert.
»Der Kronleuchter . . . «, wiederholte sie dumpf. »Oh, Gott . . . Erik . . . Willst du damit sagen, das mit dem Kronleuchter sei kein Unfall gewesen?«
»Du glaubst doch wohl nicht, daß er so freundlich war, aus eigenem Antrieb von der Decke zu fallen, oder?«
»Ja, aber er muß Menschen getötet haben!«
»O ja. Ich denke, das ist sehr wahrscheinlich. Es ist sehr schwierig, ein richtiger Mörder zu sein, ohne von Zeit zu Zeit Leute umzubringen, weißt du. Übrigens, du hast das hier vergessen. Hast du es vermißt?«
Ich ließ die Kette mit dem Kruzifix und dem Verlobungsring in ihre zitternde Hand fallen und lehnte mich zurück, um ihre Reaktion zu beobachten. Wenn das möglich gewesen wäre, würde ich sagen, sie wurde noch bleicher.
»Falls dir übel wird, meine Liebe«, sagte ich kalt, »hoffe ich, daß du es mir rechtzeitig sagst, damit ich eine Schüssel holen kann. Dieser
Weitere Kostenlose Bücher