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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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Lebewohl sagst. Dann brauche ich mich vielleicht nicht für den Rest meines Lebens zu fragen, ob du nicht in Wirklichkeit nur auf Wiedersehen sagen wolltest.«
Wenn es je einen Moment gab, um Raoul zu umarmen und ihm zu sagen, daß ich ihn liebte, dann war es jetzt. Auf dem Dach hatte ich mich verzweifelt an ihn geklammert und gewollt, daß er mich für immer festhielt, hatte sein liebes, vertrautes Gesicht sehen wollen, mir zugewandt für alle Zeit, hatte gewollt, daß er mir ein Leben im hellen Tageslicht versprach, frei von dunklen, unbekannten Schrecken.
Ich hatte Raoul geliebt, seit ich fünfzehn Jahre alt war, die meiste Zeit scheu und unsicher, kaum zu hoffen wagend, daß er jemals über unsere Kindheit hinausblicken und um meinetwillen seiner Familie trotzen würde. Und jetzt, da ich alle Liebesbeweise habe, die ein Mädchen von einem jungen Mann nur fordern kann, sind meine Lippen zu Schweigen versiegelt.
Dort oben unter der Leier des Apollo, wo nur Wind und Sterne Zeugen meines Verrats waren, konnte ich Raoul sagen, daß ich ihn liebte, und es mit ganzem Herzen meinen. Doch hier, in Gegenwart des allwissenden Spiegels, verdorren die Worte in meiner Kehle.
Plötzlich erkenne ich mit Entsetzen, daß ich Erik mit drei einfachen Worten töten kann.
Ich kann diese Worte nicht aussprechen, die Raoul zu seiner Beruhigung so dringend braucht. Und selbst während wir uns aneinander klammern, habe ich das Gefühl, daß wir auseinandergerissen werden.
10. Kapitel
    Heute nacht ist das Glück des Teufels mit mir. Selbst die Planeten verändern auf Geheiß des Herrn ihre Stellung zu meinen Gunsten. Der Perser sieht zu, und diesmal paßt mir das ausgezeichnet. Nadir? Nadir existiert nicht mehr. Ich habe die Freundschaft aus meinem Herzen getilgt, wie ich mich von der Liebe befreit habe. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich nicht durch schwächende Gefühle gehemmt. Ich bin erfüllt von Haß, und Haß gibt mir die Kraft, endlich die Fesseln der Menschlichkeit abzuschütteln.
    Er folgt mir sogar jetzt, glaubt, ich hätte ihn nicht gesehen, der Narr! Ich hätte ihn auf dem Rückweg vom Dach der Oper schon mehrmals töten können, doch ich will es nicht tun, noch nicht. Der Daroga von Mazenderan wird mir einen letzten Dienst erweisen, ehe ich ihn der Gnade Allahs überantworte.
    Ich muß mich langsamer bewegen, ein- oder zweimal hätte er mich fast verloren. Verdammter Daroga, muß ich Ihnen leuchten wie ein bezahlter Führer? Sie gehen wie ein müder alter Mann. Können Sie nicht dichter auf meinen Fersen bleiben? Ja, so ist’s schon besser! Wir sind nun im dritten Kellergeschoß, wir sind beinahe da.
    Und hier ist der Stein.
Beobachten Sie mich, Daroga? Beobachten Sie sehr aufmerksam. Beglückwünschen Sie sich zu ihrer großen Geschicklichkeit als Spürhund?
Natürlich tun Sie das. Auf das hier haben Sie lange gewartet, nicht wahr, und endlich wird Ihre Ausdauer belohnt. Jetzt kennen Sie das Geheimnis der Zuflucht des Phantoms. Und wenn heute abend der Kronleuchter in den Zuschauerraum stürzt, wenn Christine Daae in dem darauffolgenden Durcheinander von der Bühne verschwindet, dann werden Sie genau wissen, wie Sie Ihre Kenntnisse nutzen müssen. Sie werden wissen, wo ich zu finden bin, und Sie werden genau wissen, wen Sie zur letzten Jagd mitzubringen haben.
Sehen Sie, ich kenne Sie so gut. Sie haben alle Instinkte eines überaus tüchtigen Polizisten, wirklich. Sie waren immer viel kompetenter, als Sie selbst glaubten. Sie werden nicht kostbare Zeit damit vergeuden, sich wegen einer verworrenen Geschichte über das Phantom an die zynische Pariser sûreté zu wenden. Sie werden die Sache einfach selbst in die Hand nehmen. Ihre Integrität wird Sie zwingen, die Mission zu vollenden, die Ihnen vor all den Jahren in Persien anvertraut wurde. Auch Sie, Daroga, werden heute nacht die Schwäche alter Freundschaft aus Ihrem Herzen reißen und nur an die Rechtmäßigkeit Ihres Anliegens denken. Wie ich Ihr Vertrauen verraten habe, so werden Sie meines verraten.
Wenn nach dem letzten Akt der Vorhang fällt, dann will ich den Jungen in meinem Haus am See, hilflos und völlig meiner Gnade ausgeliefert.
Ich will den Vicomte de Chagny, Daroga!
Und ich weiß, ich kann mich darauf verlassen, daß Sie ihn mir bringen!
    In einer halben Stunde öffnet sich der Vorhang zum Faust , und ich will zum letzten Mal für Erik singen, auch wenn ich nicht weiß, ob er mich hört. Nach dem Ende der Vorstellung wird Raouls Kutsche auf uns

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