Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
Vom Netzwerk:
bloß an, als verstünde er kein Wort von dem, was ich sagte.«
Ich nickte grimmig. »Er versteht nur, was er verstehen will. Alles, was ihn im Augenblick interessiert, ist die Befriedigung seiner morbiden Besessenheit von Illusion und Zauber. Und er weiß, wie ärgerlich mich das macht. Ich habe ihm vorige Woche gesagt, ich würde ihm das Glas und all die Sachen dazu nicht kaufen.«
»Wozu in aller Welt will er sie denn haben?«
»Er möchte Spiegel herstellen – Zauberspiegel, die ihm nur das zeigen, was er sehen will. Hunderte von Jahren haben die Venetianer das Geheimnis ihrer Kunst vor dem Rest der Welt verborgen, und jetzt denkt dieses Kind . . . dieses verrückte Kind! . . . , es könne in seinem Schlafzimmer auf dem Dachboden Spiegel herstellen. Gott sei Dank habe ich ihm nie von dem Quecksilber erzählt, sonst hätte er das wahrscheinlich auch verlangt! Warum in Gottes Namen verhält er sich so?«
Marie legte das Geld auf den Tisch und sah mich nachdenklich an.
»Ich denke, du solltest ihm das Glas geben, wenn es ihm so wichtig ist«, sagte sie nach einem Augenblick.
»Ach, wirklich!« erwiderte ich. »Vielleicht meinst du auch, ich sollte ihm Quecksilber besorgen, damit er uns alle vergiften kann, wenn ihm das einfällt.«
Sie zuckte die Achseln. »Madeleine, wenn du ihm dieses Glas nicht gibst, wird er bestimmt einen Weg finden, es sich zu verschaffen. Willst du vielleicht, daß er anfängt, Fenster zu zerschlagen?«
Ich starrte sie entsetzt an. »Glaubst du, daß er zu solchen Freveltaten fähig ist?«
Sie schüttelte langsam den Kopf.
»Ich glaube nicht, daß er es als etwas Böses betrachten würde, Madeleine. Es ist einfach der logische nächste Schritt zu seinem Ziel.«
»Der Zweck rechtfertigt die Mittel«, sagte ich leise sinnend. »Das ist die Lehre des Teufels.«
Sie schwieg und schaute zu Boden, und ich wußte, daß sie mir innerlich recht gab.
Am Ende der Woche, als ich ihm das Glas und die Metallfolie brachte, wurde ich mit einem Jubelschrei belohnt. Er verschwand für den Rest des Tages in seinem Zimmer, und abends fand ich ihn starr vor Wut über seinen Mißerfolg.
»Es muß eine bessere Methode geben«, murmelte er. »Ich werde Professor Guizot fragen, wenn er morgen kommt.«
    »Spiegel?« wiederholte der Professor vage, als Erik ihn am nächsten Tag schon an der Haustür damit überfiel. »Nun ja, man hat bislang immer Metall und Quecksilber für die Rückseite verwendet.«
    »Quecksilber!« Ich sah, daß Erik sich über seine eigene Unwissenheit ärgerte. »Von Quecksilber habe ich nichts gewußt!«
»Das spielt keine große Rolle«, fuhr der Professor leutselig fort. »Keiner wird sich mehr lange mit dieser mühsamen Methode aufhalten. Ich glaube, in Deutschland ist kürzlich ein neues Verfahren entdeckt worden, das sich Versilberung nennt.«
»Deutschland«, wiederholte Erik feierlich. »Wie weit ist das entfernt?«
Die Eßzimmertür schloß sich hinter ihnen, und ich hörte nichts mehr.
Von diesem Tag an sorgte ich dafür, daß Erik alles Material erhielt, das er verlangte, ganz gleich, wie seltsam seine Bitten erscheinen mochten. Glas, Metall, Nieten, Bolzen und Kupferdraht. Es waren Bastelsachen, die ich ihm nicht länger verweigerte, aus dem einfachen Grunde, weil ich nicht den Mut dazu hatte.
Ich begann zu verstehen, wie gefährlich es ist, wenn man versucht, das natürliche Ventil eines aktiven Vulkans zu verstopfen.
Ich begann auch zu verstehen, warum Vater Mansart sich mehr und mehr Sorgen um Eriks Seele machte.
8. Kapitel
    Seit er laufen konnte, hatte ich Erik nachts vorsichtshalber in seinem Zimmer eingeschlossen, teilweise zu seinem Schutz, hauptsächlich aber meines eigenen Seelenfriedens wegen. Er war acht, als ich die Entdeckung machte, daß vergitterte Fenster und eine verschlossene Tür nicht mehr ausreichten, um seinen Einfallsreichtum zu bändigen.
    Eines Morgens kam Vater Mansart in beträchtlicher Aufregung zu mir und sagte, im Dorf herrsche große Unruhe; ich müsse mehr darauf achten, Erik nachts im Hause zu halten.
    »Ich verstehe Sie nicht«, sagte ich stirnrunzelnd. »Sie wissen genau, daß er nie weiter gehen darf als bis zum Gartentor.«
Der Priester schüttelte den Kopf. »Madeleine, mehrere Personen haben ihn auf dem Gelände der Kirche gesehen. Und letzte Nacht wollen mehrere Zeugen um Mitternacht die Orgel spielen gehört haben.«
»Aber das ist unmöglich, Vater«, protestierte ich. »Ich selbst habe ihn um acht Uhr in seinem Zimmer

Weitere Kostenlose Bücher