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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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Dorfjungen warf mit Steinen und grölte gemeine Beschimpfungen. Ich war so wütend, daß ich trotz der Warnungen des Priesters mein Schlafzimmerfenster aufriß.
»Verschwindet!« schrie ich. »Geht weg und laßt mich und meinen
    Sohn in Frieden!«
»Bringen Sie das Monster nach draußen!« antworteten sie darauf
rüde. »Bringen Sie das Monster nach draußen, damit wir es uns
ansehen können.«
Ein Klumpen Erde traf meine Wange. Ich hörte, daß im Untergeschoß eine Fensterscheibe zerbrach und hielt entsetzt den Atem an,
als jemand gegen die Haustür zu treten begann.
»Fort mit euch!« ertönte aus einiger Entfernung auf der Straße Vater Mansarts Stimme. »Ihr jungen Teufel! Ich verspreche euch, dieser Abend wird euch genug Bußgebete einbringen, um euch einen
Monat lang auf den Knien zu halten! Ja, ich weiß, wer ihr seid. Ich
kenne jeden einzelnen! Fort mit euch, sage ich!«
Die Stimmen wurden schwächer, und ihre Besitzer stahlen sich in
der sinkenden Dämmerung davon.
Ich rannte die schmale Treppe hinunter, riß die Haustür auf und
vergrub mein Gesicht im Gewand des Priesters.
»O Vater! Ich dachte, sie würden ins Haus eindringen und ihn
holen!«
»Ich glaube nicht, daß sie es wagen würden, soweit zu gehen,
meine Liebe, aber ich kann mich nicht für das verbürgen, was sie
tun würden, wenn sie ihn allein draußen erwischten. Ist er in seinem Zimmer?«
Ich nickte.
»Gut. Ich werde die Scheibe aus dem Fenster nehmen und seine Tür oben und unten mit einem Riegel versehen. Ich glaube, das
wird ihn zurückhalten. Es könnte sein, daß er nach dem heutigen
Abend zu erschrocken ist, um noch einmal einen Ausbruch zu versuchen.«
»Was soll nur aus ihm werden?« flüsterte ich verzweifelt. »Was, in
Gottes Namen, soll nur aus ihm werden?«
»Es ist nicht an uns, die Zukunft vorherzusehen«, antwortete der
Priester ausweichend. »Ich werde jetzt zu ihm gehen. Ich denke,
inzwischen wird er bereit sein, wieder zu beten.«
Ich versuchte ein schwaches Lächeln. »Sie haben ihm also seine
Blasphemie verziehen?«
Er machte eine philosophische Geste.
»Wenn das alles ist, was der Himmel ihm jemals verzeihen muß,
dann haben wir großes Glück«, sagte er ruhig.
    Am Sonntag ging ich mit Marie ins Dorf hinunter, um die Eltern unserer Plagegeister zu beschämen. Es war nun schon einige Jahre her, seit ich nicht mehr die Messe in unserer schönen Abtei besucht hatte. Ich hatte mich damit begnügt, sie wie eine Invalide in der Abgeschiedenheit meines Hauses zu hören, und mich mehr und mehr an die Zurückgezogenheit gewöhnt. Nun begriff ich allmählich, daß die allgemeine Annahme, eine Verrückte und ein Ungeheuer bewohnten das entlegene Haus am Rand des Dorfes, vielleicht nicht ganz unberechtigt war. Ich durfte mich nicht weiter wie ein Maulwurf in seinem Bau verstecken; ich mußte zeigen, daß ich bereit war, für unser Recht auf Frieden zu kämpfen.
    Während des ganzen Gottesdienstes war mir bewußt, daß man verstohlen die Köpfe in meine Richtung drehte. Ein unterdrücktes Flüstern hielt auch während der Predigt an, und selbst der strenge Blick des Priesters reichte nicht aus, um es zum Verstummen zu bringen. Meine Entschlossenheit wankte, und ich hatte den starken Drang, aus der Kirche davonzulaufen. Aber ich blieb steif sitzen, die behandschuhten Hände über meinem Gebetbuch gefaltet, und wünschte mir nur, die Messe sei endlich vorbei.
    » Ite inissa est«, sagte Vater Mansart schließlich gnädig, und als die Gemeinde aufstand, wich ich den allgemeinen Blicken aus, indem ich fest auf die Engelsfiguren starrte, mit denen das Querschiff verziert war. Ich folgte Marie durch den Mittelgang, und in meiner Aufregung ließ ich mein Gebetbuch fallen. Der widerhallende Aufprall erzeugte unter der gewölbten Kuppel ein seltsames Echo. Unwillkürlich richtete sich mein Blick zur Galerie hoch, und im dämmrigen Licht, das durch das Fenster des Hauptschiffs fiel, sah ich die Gestalt eines jungen Mannes, der nachdenklich auf mich herabsah.
    Er machte eine förmliche kleine Verbeugung, als er merkte, daß ich ihn gesehen hatte, und die ungewohnte Höflichkeit seiner Geste verwirrte mich. Ich hatte in meinen Jahren der Einsamkeit vergessen, wie man auf solche Gesten antwortet, hatte vergessen, wie man die Kokette spielt. Ich war über alle Maßen verlegen, und doch war es sehr schwer, diesen kurzen Augenkontakt einfach abzubrechen.
    »Wer ist dieser Mann?« fragte ich Marie, als wir in das helle Sonnenlicht

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