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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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denken konnte.
In der gleichen Woche hatte Luciana es übernommen, meine Haushälterin zu entlassen und deren Pflichten selbst zu erfüllen.
»Was ist mit meiner Küche nicht in Ordnung?« fragte sie in unheilverkündendem Ton, als Erik wieder einmal ohne jede Erklärung oder Entschuldigung geradewegs in seinen Keller gegangen war.
»Mit deiner Küche ist alles in Ordnung«, sagte ich, tapfer einen großen Bissen von einem Gericht aufnehmend, das ich kaum zu definieren vermochte. »Völlig in Ordnung.«
»Er hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, herzukommen und nachzusehen, was es gibt.«
»Der Junge ist müde, um Himmels willen, Luciana! Er will sich nur ausruhen.«
Als die zarten, schwirrenden Töne des alten Spinetts zu uns nach oben drangen, ballte Luciana auf dem Tisch die Fäuste.
»Zum Spielen ist er aber nicht zu müde«, sagte sie heftig. »Er ist nicht zu müde, um die ganze Nacht aufzusitzen und zu zeichnen und mit seinen Drähten herumzuspielen, nur zu müde, um eine Mahlzeit zu essen, auf deren Zubereitung ich Stunden verwandt habe!«
    Als Luciana zu Bett gegangen war, saß ich einige Stunden da, starrte in den leeren Kamin, rauchte stetig, füllte regelmäßig meine Pfeife nach und dachte darüber nach, was am besten zu tun sei.
    Gegen Mitternacht war ich plötzlich zu einer Entscheidung gekommen, klopfte einmal an die Kellertür und ging die steilen Steinstufen hinunter, ohne auf eine Antwort zu warten.
    Erik hatte an den Rechnungen gearbeitet. Das riesige Kontobuch lag offen auf dem Tisch hinter ihm, zu beiden Seiten von einer heruntergebrannten Kerze erleuchtet. Ein Tintenspritzer auf der Seite verriet die erschrockene Hast, mit der er bei meinem unerwarteten Eintreten auf die Füße gesprungen war. Ich bildete mir ein, beinahe hören zu können, wie sein Herz schneller schlug, und es machte mich traurig, daß er wie immer in seine instinktive, mißtrauische Wachsamkeit verfiel.
    »Ich wollte in Ruhe ein Wort mit dir reden, Erik.«
»Ja, Signor, ich weiß.« Er wandte sich ab, um das ledergebundene Buch zu schließen. »Die Buchungen sind alle auf dem neuesten Stand, alles ist in Ordnung. In weniger als einer Stunde habe ich gepackt und bin fort.«
    Ich schaute an ihm vorbei und sah, daß auf seiner Matratze bereits die alten Satteltaschen lagen, und da wußte ich, hätte ich mich nicht entschlossen, heute abend hierher nach unten zu kommen, hätte ich den Keller morgen leer vorgefunden.
    »Du wolltest gehen, ohne ein Wort zu sagen?« warf ich ihm entrüstet vor. »Warum?«
Er starrte auf das Kontobuch. »Weil . . . «, sagte er mühsam, »weil ich nicht warten wollte, bis Sie mich dazu auffordern.«
Plötzlich hatte ich den dringenden Wunsch, ihm eins hinter die Ohren zu geben.
»Du dummer Junge!« sagte ich gereizt. »Wie in aller Welt kommst du darauf, daß ich dich fortschicken würde?«
»Es gibt meinetwegen Probleme.« Er sah mich nicht an. »Ich sollte jetzt gehen, ehe es zu spät ist.«
»Unsinn! Du solltest besser sofort mit nach oben kommen, ehe ich wirklich böse auf dich werde.«
Ich ging die Treppe wieder hinauf, und er folgte mir in gehorsamem Schweigen, ganz wie ein schuldbewußter Sohn. Hastig setzte er sich in den Sessel, den ich ihm anwies, und nahm den Wein, den ich ihm gab, ohne weiteren Protest. Mir war durchaus klar, daß ich unmöglich auf die beabsichtigte Weise mit ihm sprechen konnte, solange er mit kalter, steinerner Nüchternheit dort saß, in seine gewohnte Verschlossenheit gehüllt wie in eine undurchdringliche Rüstung. Also redete ich eine Zeitlang über die Tagesgeschäfte, füllte stetig unsere großen venezianischen Gläser nach und zwang ihn dabei, mit mir Schritt zu halten. »Es brauchte nicht allzu viele Gläser, bis ich sah, daß seine freie Hand nicht länger geballt auf seinem Knie lag, sondern weich und entspannt über der Armlehne seines Sessels hing.
Ich sprach von vielen Dingen in dieser Nacht; von einigen hatte ich sprechen wollen, von anderen nicht. Auch ich spürte jetzt den Wein, und er erfüllte mich mit der Gewißheit, daß diese Gelegenheit nicht wiederkommen würde.
Die Öllampen flackerten und erloschen eine nach der anderen, aber ich machte mir nicht die Mühe, sie nachzufüllen, während ich von den großen Idealen des Baumeisters und der Verantwortung des Mannes sprach. Ich sprach von Gott, dem Großen Bauherrn des Universums, der uns alle nach seinem Maß mißt; ich sprach von gutem Willen, Barmherzigkeit und Toleranz. Und schließlich

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