Kay Susan
Stimmen aus dem Keller heraufdringen; Lucianas klang verdrießlich und den Tränen nahe, Eriks so instinktiv abwehrend, daß sie eisig wirkte und Zorn erregen mußte.
»Was sind das für Sachen? Wozu sind sie gut?«
»Bitte, lassen Sie mich in Ruhe, Mademoiselle!«
»Ich will es wissen. Erklären Sie sie mir!«
»Sie würden sie wahrscheinlich nicht verstehen.«
»Ach, wirklich? So dumm bin ich also?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Nein, aber das haben Sie gemeint! Oder haben Sie vielleicht etwas anderes gemeint? Ja, das ist es! Ich weiß, warum Sie Angst haben, mir diese Sachen zu zeigen. Es ist, weil sie nicht funktionieren, nicht wahr? Sie funktionieren nicht!«
»Alles in diesem Keller funktioniert!«
Ich hörte den gefährlich explodierenden Zorn in seiner Stimme, und ich hörte, wie Lucianas Wut wuchs und sie geradewegs in eine gefährliche Konfrontation trieb.
»Also, das hier funktioniert jedenfalls nicht!« schrie sie plötzlich. »Nicht mehr! Und das hier auch nicht! Und das ebensowenig!«
Mein Gott, dachte ich entsetzt, er wird sie umbringen . . .
Das Klirren von Glas und Metall auf dem steinernen Boden drang bis zu mir herauf, als ich mich auf den Weg in den Keller machte, um einzugreifen, doch Erik stürmte bereits nach oben, zwei Stufen auf einmal nehmend. Grob und ohne ein Wort drängte er sich an mir vorbei, und sein Zorn war so gewaltig, daß ich nicht wagte, ihm mäßigend eine Hand auf den Arm zu legen. Es war das erste Mal, daß er mich unhöflich behandelte. Mir kam der Verdacht, daß er mich nicht einmal erkannt hatte.
Ich ließ ihn fliehen vor einem Drang zu töten, der so stark, fast unbeherrschbar war, daß er noch immer wie ein Geruch die Luft ringsum erfüllte. Dann schaute ich nach unten auf das dumme Kind, das die Tragödie nicht begriff, die es beinahe provoziert hätte.
Sie kniete jetzt auf dem Fußboden und starrte auf die Überreste ihrer Zerstörungswut.
»Luciana!« sagte ich voller Mißbilligung. »Geh sofort auf dein Zimmer!«
Sie machte keine Bewegung, mir zu gehorchen, sondern streckte statt dessen die Hand aus, um verwundert das zerbrochene Glas zu berühren.
»Wie kann er diese Dinge lieben, diese Stücke aus Draht und Metall?« flüsterte sie. »Wie kann er diese Dinge lieben und mich nicht? Bin ich nicht hübsch genug?« Sie hob ihr tränenüberströmtes Gesicht und sah mich mit gequältem Blick an. »O Papa, warum haßt er mich so sehr?«
Mein Zorn verrauchte. »Er haßt dich nicht, Kind«, sagte ich müde. »Er haßt nur sich selbst.«
Sie starrte mich an, und ihr Gesicht nahm einen verwirrten Ausdruck an.
»Ich verstehe nicht«, begann sie zweifelnd. »Warum sollte er sich selbst hassen?«
Ich trat hinunter in den Keller und setzte mich schwer auf Eriks Bettstelle.
»Luciana . . . die Maske . . . «
Ich sah, daß sie sich versteifte. »Ich will nichts von der Maske hören«, sagte sie störrisch und hielt sich in kindlichem Trotz die Ohren zu. »Ich will diese gehässigen Gerüchte nicht hören, die die Arbeiter verbreiten. Sie sind nur eifersüchtig auf ihn, weil er so flink und klug ist und weil jeder weiß, daß er morgen dein Geschäft übernehmen könnte.«
»Luciana . . . «
»Ich glaube den Leuten nicht!« Abrupt stand sie auf und wich vor mir zurück in Richtung auf die Treppe. »Ich will ihnen nicht glauben, Papa, ich weiß, daß es nicht stimmt!«
»Aber wenn es doch stimmte . . . «
»Es stimmt nicht!« schrie sie mit einer Hysterie, die ihr hübsches Gesicht zu einer Grimasse verzerrte. »Er ist nicht häßlich, er ist kein Ungeheuer! Ich lasse nicht zu, daß er so verleumdet wird.«
Ihre Gefühle waren so intensiv und irrational, daß sie mich zum Schweigen brachten. Ich sah plötzlich, daß ich zu diesem Thema nichts weiter sagen konnte, und mit den schlimmsten Ahnungen mußte ich sie gehen lassen.
Ich suchte an diesem Tag die Baustelle nicht auf, weil ich das Gefühl hatte, daß Erik lieber in Ruhe gelassen werden wollte. Luciana blieb in ihrem Zimmer. Das Haus war in Stille gehüllt, heiß und feucht von den übelriechenden Schwaden, die vom Tiber herüberwehten. Die Zeit der Abendmahlzeit kam und ging, aber wir aßen nicht. Gelegentlich warf ich seufzend einen Blick auf die Uhr, die auf dem Kaminsims stand. Neun Uhr, zehn Uhr . . . und noch immer kein Anzeichen von Erik.
Um elf Uhr kam Luciana die Treppe herunter und verlangte, ich solle gehen und ihn von der Baustelle holen. Ich weigerte mich. Der Junge würde nach Hause kommen, wenn sein Zorn
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