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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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hatte, daß man ihn über die gestrigen Ereignisse informieren sollte. Mir fiel nur die Putzfrau ein, die zweimal die Woche das Restaurant durchwischte. Eine rüstige ältere Dame aus Portugal, von der ich weder Namen noch Adresse wußte.
    Nach einer zweiten Tasse Kaffee zog ich das Schutzgeldeintreibertelefon aus der Brusttasche und suchte erst gespeicherte Nummern, die es nicht gab, dann die Wahlwiederholungstaste. Wen würden die Kerle als letzten angerufen haben? Den Liebe-Leut-Hessen von gestern nacht? Irgendeinen Chef? Die Dame vom Kurs »Telefonieren für Stumme«? Wenn ihnen das Sprechen tatsächlich unmöglich gewesen war, hatte der Hesse natürlich sofort Verdacht schöpfen müssen. Vielleicht war er auf Pfiffe oder Klopfen eingestellt gewesen. Andererseits hatte er gefragt, wo sie seien, und mir schien es ein kaum zu beherrschendes Kunststück, eine Adresse pfeifend zu übermitteln.
    Ich versuchte mich zu konzentrieren und drückte die Taste. Eine sechsstellige Nummer mit einer Acht am Anfang erschien auf dem Display. Eine Nummer in Offenbach. Als es anfing zu tuten, legte ich mir für alle Fälle noch schnell ein paar Sätze zurecht, der Teilnehmer habe beim neuen Telefonnummernlotto ein Auto gewonnen und wo man sich wegen der Formalitäten treffen könne. Doch es blieb beim Tuten, und nach dem zwanzigsten Mal schaltete ich das Ding ab. In meinem Büro würde ich die Adresse zur Nummer im Computer finden. Bis dahin mußte ich mich mit der Wahlwiederholungstaste begnügen.
    Ich nahm wieder mein eigenes Telefon und rief einen Polizisten an, der mir kaum eine Bitte abschlagen konnte. Er war Chef der Frankfurter Ausländerpolizei, hatte Familie und war mal auf Video aufgenommen worden, wie er in einem Schwulenpuff mit Minderjährigen rummachte. Ich wußte von den Aufnahmen.
    »Höttges.«
    »Tag, Herr Höttges. Kayankaya hier.«
    Stille im Hörer… tiefes Einatmen… Schritte… eine Tür klappte, dann eine zischende Stimme: »Wir hatten doch vereinbart, daß Sie mich nicht im Büro anrufen!«
    »Aber bei Ihnen zu Hause nimmt meistens Ihr vierzehnjähriger Sohn ab, und da hab ich dann immer so Assoziationen.«
    Wieder tiefes Einatmen, wieder Stille. »Was wollen Sie?«
    »Ich brauche den Namen des Besitzers eines bmws.« Ich gab ihm das Kennzeichen durch. »Außerdem will ich sämtliche Informationen über neue Mafiabanden im Bahnhofsviertel.«
    Er zögerte. »… Müßte ich mich erkundigen. Wie Sie wissen, bin ich bei der Ausländerpolizei.«
    »Dann erkundigen Sie sich. Und versuchen Sie nicht, mich mit irgendeinem Mist abzuspeisen. Ich will die Namen der Chefs, Adressen, die ungefähre Zahl der Mitglieder und so weiter - bis morgen nachmittag.«
    »Aber da komme ich nicht so ohne weiteres ran, das ist zum größten Teil geheim.«
    »Sie kriegen das schon hin. Kann schließlich nicht alles geheim bleiben: Videobänder, Mafiaorganisationen - irgendwas muß auch mal weitergesagt werden…«
    Noch während ich sprach, hatte er aufgelegt. Aber ich wußte, er würde sich beide Beine ausreißen, um mir bis morgen die gewünschten Informationen zu beschaffen. So ging das schon seit über acht Jahren. Dabei hatte ich mir die Existenz der Videobänder nur am Rande eines Falls, bei dem es um falsche Ausweise und Flüchtlinge gegangen war, zusammengereimt, und inzwischen waren die Dinger wahrscheinlich schon lange im Müll gelandet. Aber erstens wußte Höttges das nicht, und zweitens war die Angelegenheit nicht einfach nur eine Schweinerei, weil so was eben eine Schweinerei ist, sondern eine Schweinerei mit sozusagen metaphorischem Pfiff. Allein das Gerücht, sorgfältig in bestimmte Zeitungs- und Fernsehredaktionen gestreut, hätte vermutlich genügt, den Chef der Frankfurter Ausländerpolizei erst aus dem Amt, dann aus der Familie und schließlich, wenn sein Foto durch die Presse gegangen wäre, aus der Stadt zu jagen. Höttges, als regionaler Handlanger des deutschen Innenministers dafür zuständig, möglichst niemanden von jenseits des Radio-Luxemburg-Empfangsgebiets in die Stadt zu lassen und möglichst viele, die trotzdem mal reingekommen waren, wieder rauszuschikanieren - Gehälter ab paar tausend netto natürlich ausgenommen -, hatte es damals mit fünfzehnjährigen Araberjungs getrieben. Man konnte sich die Schlagzeilen vorstellen: >Oberabschieber schiebt einen rein<, oder >Tagsüber Ausweisung - abends Einlauf<, oder >Homo-Kommissar zuständig für Aufenthaltsgenehmigungen - Kinder mußten sich bei ihm

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