Kayankaya 4 - Kismet
Ding ein paar Runden durch die Stadt zu drehen.
»Jedenfalls«, fuhr Gina fort, »kommt in einer halben Stunde die Putzfrau, und ich hab einen Termin im Museum. Wenn’s dir nichts ausmacht, daß ein Staubsauger um dich rumfährt, bleib liegen, sonst kann ich dich mit in die Stadt nehmen.«
Ich sah an mir hinunter, Jacke, Hose, Schuhe, eklige Flecken. »Okay«, sagte ich, »bin soweit.«
»Ich brauch noch zehn Minuten. In der Küche steht Kaffee, wenn du willst.«
Während Gina im Nebenzimmer verschwand, stemmte ich mich aus dem Sofa, wankte in die Küche, wusch mir das Gesicht über der Spüle und setzte mich mit einer Tasse Kaffee ans offene Fenster zu einem Kastanienbaum. Das Fenster ging zum Hof, und bis auf das Tschilpen einiger Spatzen, die durch die Aste turnten, und Ginas entfernte Schritte übers Parkett herrschte Stille. Ich trank einen Schluck Kaffee, stellte die Tasse ab und schob sie von mir weg. Eine Weile saß ich da wie ein Sack Mehl und starrte vor mich hin. So war das also, wenn man in der Nacht zuvor jemanden erschossen hatte und ein ziemlich naher Bekannter verbrannt war: Man sucht sich ein gemütliches Plätzchen und fragt sich, warum Leute, die sich eine Putzfrau leisten können, miesen, stundenlang in einer Maschine lauwarm gehaltenen Filterkaffee trinken. Ich zwang mich, an den Moment zu denken, in dem wir uns aus dem Schrank gestürzt und geschossen hatten. Aber alles, was gestern passiert war, kam mir so unwirklich vor, als hätte es mir letzte Nacht ein Besoffener in der Kneipe zugelallt und ich, ebenfalls besoffen, hätte mir alle Mühe gegeben, ihm seine Geschichte zu glauben. Vielleicht änderte sich das, wenn ich in den Abendzeitungen von Romarios verkohlter Leiche lesen würde. Oder wenn die ersten Brutalos in meinem Büro auftauchten, weil die Bande sich umgehört und herausbekommen hatte, wer in den letzten Tagen ungewöhnlich oft im >Saudade< ein und aus gegangen war. Im Bahnhofsviertel blieb niemand unbeobachtet, schon gar nicht einer, von dem man wußte, daß er so was Ähnliches war wie Polizist. Oder würden sie mein Büro gleich in die Luft sprengen? Was gab’s schon zu reden?
»Na, ‘n Kater?« fragte Gina, als sie durch die Tür trat. Mit ihr kam dieser merkwürdige, stechende Gestank.
»Weiß noch nicht«, antwortete ich und sah zu, wie sie zur Kaffeemaschine ging und sich eine Tasse einschenkte. Sie lehnte sich mit der Tasse in der Hand gegen den Kühlschrank und musterte mich freundlich. »Und sonst? Geht’s gut?« Wir hatten uns seit über einem Monat nicht gesehen.
»Tja… Sicher nicht so gut wie dir. Siehst klasse aus.«
Sie lächelte mich an. »Danke.« Dann sah sie plötzlich auf ihren Kaffee, trank einen Schluck und hielt den Blick gesenkt. Eine knappe Antwort. So knapp, daß eine Pause entstand. Andere hätten vielleicht erklärt: Ja, ich fühl mich prima, weil dieses und jenes, weil ich Museumsdirektorin werde, oder weil ich das Zahnbürstenglas von Dschingis-Khan gefunden habe. Sie bedankte sich nur, und es war, als schließe sie eine Tür vor mir.
»Allerdings«, fuhr ich fort, als die Pause unangenehm zu werden drohte, »wenn das für dich ein wichtiger Termin im Museum ist, sag ich dir besser, daß deine Kleider riechen, als hättest du sie nicht nur gegen Motten, sondern auch gegen Ratten, Wölfe und Einbrecher bepulvert.«
»Motten…?!« Sie starrte mich entgeistert an. Dann ließ sie die Tasse sinken und sah an sich hinunter, als wollte sie sichergehen, daß sie noch trug, was sie angezogen hatte. »… Das hab ich mir vor einer Woche gekauft.«
»So. Na ja, dann werden sie’s bei der Herstellung mit irgendwas behandelt haben. Tut mir leid, aber es riecht scheußlich.«
Sie senkte den Kopf und zog sich ein Stück Kragen an die Nase. »Das riecht nach überhaupt nichts… Nur nach meinem Parfüm.«
»… Parfüm?!«
»Ja, Parfüm! Issey Miyake, wenn du’s genau wissen willst!«
»Das glaub ich nicht.« Ich glaubte es tatsächlich nicht. Vielleicht irgendein alter Archäologenscherz: Nanu, wie stinkt’s denn bei dir im Labor? - Haha, so roch Kleopatra, wenn sie sich mit vergorener Ziegenscheiße gegen Pickel eingerieben hat!
Gina schüttelte den Kopf. »Mann, Kayankaya! Schaff dir endlich ‘ne Frau an! Demnächst fragst du mich noch, was das da vorne für Hubbel sind.«
Ich machte den Mund auf - und wieder zu. So, so. Seine Freundin über die hunderttausendmarkteure Gangsterkarre in der Garage zu informieren, hielt Slibulsky nicht
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