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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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steckte mir eine Zigarette an und setzte mich mit einer Tasse Kaffee an den Tisch. Ich nahm das Schutzgeldeintreibertelefon und drückte zum weißnicht-wievielten Mal die Wahlwiederholungstaste. Fast erschrak ich, als tatsächlich jemand abhob.
    »>Adria-Grill<. Guten Tag«, meldete sich eine freundliche Männerstimme.
    »Guten Tag… äh… >Adria-Grill<…?«
    »Ja, um was geht’s?«
    »Tja … ein Freund hat mir Ihr Restaurant empfohlen, aber er wußte die Adresse nicht, und…«
    »Wollen Sie sich bewerben?«
    »Bewerben…? Ja, vielleicht… hab darüber nachgedacht. Kommt natürlich drauf an, ich meine…«
    »Um Einzelheiten zu erfahren, müssen Sie dienstags bis donnerstags kommen, so gegen neun.«
    »Gegen neun. Wunderbar. Wenn ich jetzt noch bitte die Adresse…«
    Er nannte sie mir. Eine Straße in Offenbach.
    »Haben Sie heute geöffnet?«
    »Jeden Tag ab achtzehn Uhr, außer Montag. Aber wie gesagt: Bewerbungen erst wieder ab nächsten Dienstag.«
    »Ja. Sagen Sie, für was kann ich mich denn alles bewerben?«
    »Das kommt auf Ihre Fähigkeiten an. Wir hatten schon ausgebildete Panzerfahrer und sogar Piloten, aber normalerweise werden Sie einer Bodentruppe zugeteilt.«
    »Aha. Hört sich gut an.«
    »Ja, ist ‘ne tolle Sache. Und so wichtig.«
    »Und so vernünftig.«
    »Sie sagen es.«
    »Na gut, also dann: bis nächsten Dienstag.«
    »Wir freuen uns auf Sie.«
    Ich bedankte mich und klappte das Telefon zu. Offenbar entsprang der Name Armee keinem Größenwahn.
    Es folgte eine halbe Stunde, in der Romario immer wieder in die Küche kam und mich nacheinander um Rasierzeug, Aftershave und frische Unterwäsche bat. Ich gab ihm alles in der Hoffnung, daß er sich anschließend wohl und propper genug fühlte, um in die Welt hinauszugehen und sich einen anderen Schlafplatz zu suchen.
    »Kennst du ein Restaurant in Offenbach namens >Adria-Grill    Die Badezimmertür stand offen. Keine Ahnung, was er vor dem Spiegel machte, aber seine Stimme klang irgendwie gequetscht.
    »Ja, kenn ich.«
    »Und was ist das für ein Laden?«
    »Jugoslawisch - oder wie das heute heißt. Früher stand jedenfalls jugoslawische und internationale Spezialitäten dabei. Ich glaube, dann gab’s ‘ne Zeit, in der es kroatische und internationale Spezialitäten waren, und als ich das letzte Mal vorbeigefahren bin, hieß es nur noch internationale Spezialitäten. Je nach Kriegsverlauf und Sympathiewerten.«
    »Was machst du so oft in Offenbach?«
    »Zwei Häuser neben dem Restaurant wohnt eine Freundin von mir.«
    »Aha. Große Wohnung?«
    Er antwortete nicht gleich. Erst als er kurz darauf in die Küche kam, das Gesicht mit blutgetränkten Toilettenpapierfetzen gepflastert: »Sie ist verheiratet. Ich kann mich nur nachmittags manchmal ein, zwei Stunden mit ihr treffen.« Und als er meinen leicht angewiderten Blick bemerkte: »Nichts gegen deine Rasierklingen, aber ebensogut hätte ich’s mit einem Stemmeisen versuchen können.«
    »Hm, das tut mir leid.« Ich lächelte ihm zu. »Aber zum Glück ist das ja bald vorbei. Ab morgen wirst du die Rasierklingen haben, die du dir wünschst, unter der Dusche singen dürfen, so laut es dir gefällt, und du wirst dir was zum Frühstück machen können.« Ich hob entschuldigend die Schultern. »Heute gibt es leider nicht mal mehr Kaffee. Den letzten Rest habe ich gerade aufgebraucht.«
    Er hielt inne, sein Mund öffnete sich, und einen Moment lang hatte ich Angst, irgendwas Peinliches bahne sich an. Doch dann nickte er nur, drehte sich um und ging ins Wohnzimmer.
    Ich hörte, wie er um die Couch herum aufräumte und sein Bettzeug zusammenlegte - und zwar einhändig, was er nicht vergaß, mir mit betontem Ächzen und dem geflüsterten, aber doch bis in die Küche deutlich vernehmbaren Fluch »Scheiß Daumen!« in Erinnerung zu rufen. Der Teufel sollte ihn holen!
    Zehn Minuten später gab ich ihm den Zweitschlüssel zu meiner Wohnung und sagte, wenn er nun gar keine andere Unterkunft fände, könne er zur Not auch noch eine Nacht bleiben. Mit beleidigtem Blick erwiderte er, das wolle er nicht annehmen, verwies aber im nächsten Moment mit schon weniger beleidigtem Blick auf Umstände, die ihn schließlich doch zur Annahme zwingen könnten. Mich sollte der Teufel holen! Ich schnappte mir meine Jacke und verließ die Wohnung.
     
    7
     
    Doktor Michael Ahrens war Besitzer einer Tütensuppen- und Puddingpulverfabrik. Die Fabrik bestand aus einer riesigen Blechhalle, einem vierstöckigen

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