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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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weicher Kern. Alles sprach dafür, daß er sich auf dem Weg noch oft verlaufen würde.
     
    6
     
    Ich fragte: »Seit wann ist der Wagen als gestohlen gemeldet?«
    Höttges’ schwerer Atem mischte sich mit Verkehrsgebrumm. Er rief aus einer Telefonzelle an. Papier knisterte, dann sagte er: »Gestern. Aber der Besitzer hat angegeben, er sei die letzten vier Tage verreist gewesen, der Wagen könne also auch schon letzten Samstag gestohlen worden sein.«
    »Sein Name?«
    »Doktor Michael Ahrens.«
    Ich notierte. Aus meinem Bad drang Gehuste und Gerotze.
    »Adressen, Arbeit, privat…«
    Er sagte mir Straßen und Telefonnummern. Während ich sie unter den Namen schrieb, wurden die Geräusche aus meinem Bad immer lauter, immer gehaltvoller und gingen immer schneller ineinander über, bis man meinen konnte, eine Herde Elefanten habe sich meine Badewanne ausgesucht, um sich mal richtig schön auszukotzen.
    »Okay. Was ist mit neuen Mafiabanden im Bahnhofsviertel?«
    »Nichts. Nur das übliche: Albaner und Türken.«
    »Und Röder? Ist der weg?«
    Röder war der Boss der Deutschen, und er war natürlich nicht weg. Doch während jeder russische Taschendieb in der Öffentlichkeit ohne weiteres als organisierte Kriminalität durchging, waren straff geführte deutsche Banden im Bewußtsein vieler nach wie vor nicht mehr als eine Ansammlung von Witzzeichnung-Räubern mit Schiebermützen und Säcken voller Kerzenständern auf dem Rücken. Selbst ein Profi wie Höttges, der es besser wissen mußte, scheute sich davor, die Begriffe Mafia und Deutsche in eine andere Beziehung als eine feindschaftliche zu bringen.
    »Nein. Röder ist noch da.«
    »Also Albaner, Türken und Deutsche.«
    Höttges sagte nichts. Dafür tönte aus meinem Bad ein Sturzbach, begleitet von etwas, das sich anhörte wie ein stotterndes Nebelhorn.
    »Von einer Gruppe, die sich Armee der Vernunft nennt, haben Sie nichts gehört?«
    »Nein. Wie gesagt, nur das übliche.«
    »Na schön. Vielen Dank erst mal. Dann hätte ich noch eine kleine Bitte. Ein Bekannter von mir möchte eingebürgert werden.«
    Ich erklärte ihm kurz, was er wissen mußte, machte einen Termin für Romario, und das Telefonat war beendet. Im Bad ging die Dusche an. Meine Dusche. Meine Seife. Meine Rückenbürste. Ich fragte mich, ob es nicht geschickter gewesen wäre, Höttges zu beauftragen, Romarios Aufenthaltsgenehmigung noch heute ein für allemal verfallen zu lassen. Ein einziges langes schwarzes Luden-Haar in meinem Badewannenabfluß, und Romario konnte was erleben! Noch während ich das dachte, begann er unter der Dusche zu singen. »Kein schöner Land«. Was, um Himmels willen, sollte das? Übte er für ein Dankesständchen nach der Ausweisübergabe? Oder war das einfach das Zeug, das er gewöhnlich unter der Dusche trällerte? Vielleicht pfiff er beim Abwasch die Nationalhymne und stimmte als demnächst Wahlberechtigter für die cdu? Ich stellte mir vor, wie er in einem Jahr vor seinem Restaurant >Germania< stehen und auf die Frage, was ihm an Deutschland am besten gefiele, antworten würde: Die sauberen Straßen. Und vielleicht käme ich genau in dem Moment aus einer der Kneipen gegenüber getorkelt und schmisse eine leere Zigarettenschachtel auf den Bürgersteig, und er würde auf mich zeigen und erklären: Da sehen Sie ein Beispiel von mangelndem Integrationswillen - gerade mit meiner Lebensgeschichte, denke ich, bin ich befugt, zu sagen, daß wir so was nicht dulden dürfen.
    Ich stand auf und marschierte zur Badezimmertür.
    »Romario!«
    »Ja-ha!« schallte es fröhlich zurück. »Halt’s Maul!«
    Das Wasserplätschern wurde leiser. »Bitte?«
    »Hör auf zu singen!«
    »Ja! Auf zum Singen! Mach ich immer unter der Dusche! Wußtest du, daß ich, als ich nach Frankfurt kam, an der Volkshochschule einen Kurs über deutsche Lieder belegt habe? In Brasilien schätzt man die deutsche Musik nämlich sehr, und ich singe so gerne.«
    Ich starrte auf meine Badezimmertür.
    »Da fängt der Tag ganz anders an!«
    »Romario!«
    »Ja-ha!«
    »Du sollst den Tag bei mir nicht ganz anders anfangen!« Kurze Pause. »… Ich hör dich schlecht!«
    »Nicht singen!«
    »Ach so! Zu laut, ja?! Kein Problem!«
    Lautstärke, dachte ich, während ich zurück in die Küche ging, das kapiert er, der cdu-Wähler!
    Ich machte eine Kanne frischen Kaffee, horchte, ob neben dem Wasserplätschern noch mal deutsches Liedgut erklang, schloß schließlich die Tür, um auch das Plätschern nicht mehr zu hören,

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