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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Backsteingebäude und einer acht mal acht Meter großen Plakatwand, von der mir der Doktor die Zähne zeigte und erklärte: Mein guter Name für eine gute Sache - Ahrens-Suppen, Glück im Topf! Er hatte dichte, graue, etwas zu flott in die Höhe gefönte Haare, ein braungebranntes Gesicht und ein bis knapp überm Brusthaaransatz aufgeknöpftes weißes Hemd. Dagegen schauten mich seine Augen über den Rand einer schmalen, nüchternen Brille so ernst an, als verkünde er das elfte Gebot. Offenbar hatte der Doktor sich beim Fototermin nicht so recht entscheiden können, ob er lieber viele Suppen verkaufen oder viele Frauen vögeln wollte.
    Ich wandte mich von der Plakatwand ab und lief durch den seit dem Vortag anhaltenden Regen zum Backsteingebäude. Gleich hinter der Eingangstür befanden sich in einem Glaskasten Empfang und Telefonzentrale. Vor einem Pult mit mehreren Hörern und unzähligen Schaltern und Lämpchen saß eine junge Frau, kaute Kaugummi und las Zeitung. Ich klopfte an eine geschlossene Trennscheibe, und sie sah unwillig auf.
    »Ja, bitte?« rief sie. Die Scheibe blieb zu.
    »Ist das der Stil von Ahrens-Suppen? Großkunden durchs Glas anzubrüllen?«
    Erst guckte sie noch unwilliger, doch dann schien sie sich zu besinnen, knallte sich ein Lächeln auf die Lippen und stand auf. Während sie die Scheibe beiseite zog, erklärte sie: »Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht verstanden. Man hört so schlecht durchs Glas…«
    Interessante Taktik, dachte ich und erwiderte: »Ich hab gesagt, machen Sie sich keine Mühe, bleiben Sie ruhig sitzen, ich schrei ganz gern mal ein bißchen.«
    »Ah.« Sie hielt kurz inne, sah mir frech in die Augen, und für einen Moment schien ihr Lächeln echt zu sein. »Womit kann ich Ihnen helfen?«
    »Orhan Yaprak, Import-Export. Ich habe eine Verabredung mit Doktor Ahrens.«
    »So?« Sie sah neben sich auf einen Kalenderblock. »Davon weiß ich nichts. Haben Sie mit Doktor Ahrens persönlich gesprochen?«
    »Meine Sekretärin.«
    »Ihre Sekretärin…« Sie sah erneut auf den Block. »Na, da muß irgendwas schiefgegangen sein.«
    »Rufen Sie Doktor Ahrens doch einfach an, und fragen Sie ihn, ob er ein paar Minuten übrig hat. Eine ganz aktuelle Angelegenheit, und sollte sein Betrieb nicht in der Lage sein, innerhalb kürzester Zeit zwei Millionen Suppen zu liefern, hat sich die Sache ohnehin erledigt.«
    Ihr Mund ging auf, dann wiederholte sie: »Zwei Millionen Suppen?«
    »Hmhm. Erdbeben in Kasachstan, gestern abend. Humanitäre Hilfe, die deutsche Regierung zahlt, Sie verstehen.«
    »Erdbeben? Davon hab ich gar nichts gehört.«
    »Na ja, Kasachstan - aber morgen wird es sicher in den Zeitungen stehen.«
    »Gestern abend…« Sie kniff die Augen leicht zusammen und musterte mich noch mal, als wäre ich gerade zur Tür reingekommen. »Wann soll Ihre Sekretärin denn angerufen haben?«
    »Einmal dürfen Sie raten.«
    »Ich rate nicht, aber seit acht Uhr sitze ich hier und nehme alle Anrufe entgegen - eine Sekretärin von Dingsbums Import-Export war nicht darunter.«
    »Dingsbums Import-Export! Na, das ist aber mal ein Laden, der sich Mühe mit seiner Kundschaft gibt. Was ist los, Schätzchen? Ist das hier das Bundeskanzleramt? Oder läßt sich der Doktor gerade die Fönwelle richten? Ich habe meine Sekretärin beim Telefonieren nicht belauscht, könnte aber sein, daß sie nicht gleich durchgekommen ist und sich wie andere gesagt hat: Also dann kau ich doch erst mal in Ruhe meinen Kaugummi weiter und lese gemütlich die Horoskope zu Ende.«
    Während meiner Rede hatte sie die Lippen zu einem Kußmund vorgeschoben und begonnen, gelangweilt ihre türkisenen Fingernägel zu betrachten. Vielleicht war ich nicht der erste, der bei Ahrens-Suppen rummeckerte, oder vielleicht hatte sie zum Monatsende gekündigt. Vielleicht war sie aber auch einfach nur ein gelassenes Mädchen.
    Nach einer Pause fragte sie seufzend: »Sind Sie fertig?« und sah von ihren Nägeln auf. »Dann kann ich Herrn Ahrens ja mal anrufen. Aber den Mist mit dem Erdbeben können Sie ihm selber erzählen.« Damit wandte sie sich ab, nahm einen der Hörer und drückte eine Taste.
    »Herr Ahrens? Hier ist jemand, der möchte Sie sprechen … Keine Ahnung, er möchte es Ihnen persönlich sagen … Soll nicht lange dauern … Gut, wird ich ausrichten.«
    Sie legte den Hörer auf und lächelte süßlich. »In zehn Minuten können Sie zu ihm rauf gehen. Was glauben Sie, wo Sie hier sind, daß Sie sich irgendwelche Märchen

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