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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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geheiratet, und…«
    »Bosnien …!« wiederholte Frau Beierle langgezogen und deutete erschüttertes Hände-über-dem-Kopf-Zusammenschlagen an. »… Aber das arme Kind!«
    »Ja, nun… manche trifft es so, andere so. Ich versuche sie jetzt für die Zeit, die sie hier sein muß, in einem privaten Internat unterzubringen. Staatliche Schulen nehmen sie so kurzfristig nicht auf, und das Kind kann schließlich nicht den ganzen Tag alleine zu Hause sitzen und, äh… na ja, sie betet viel, aber irgendwann muß sie auch mal wieder was lernen.«
    »Vollkommen richtig. In diesem Alter ist Lernen ja überhaupt das Wichtigste. Vor allem das Lernen zu lernen.« Den letzten Satz betonte sie Wort für Wort, während ihr freundlicher Blick die Frage transportierte, ob ich inhaltlich mitkam.
    »Das haben Sie schön gesagt. Genau meine Meinung. Und so wie’s leider aussieht, wird sie so schnell nicht nach Bosnien zurückkehren können…«
    Leila machte irgendwas zwischen Schniefen und Schlukken, wischte sich mit der Hand übers Gesicht und ließ eine herzerweichende Spur Kekskrümel zurück.
    ».. .Tut mir leid, mein Schatz«, ich beugte mich zu ihr, »das ist nun mal die Realität. Dafür kommst du auf dieses schöne Internat. Weißt du noch, wie gut es dir bei unserem Besuch dort gefallen hat?«
    »Was ist das für ein Internat?« fragte Frau Beierle.
    »Oh…«, ich lehnte mich zurück und nahm einen Schluck Saft, »… so eine Mischung aus Koranschule und Sportgymnasium. Eine ganz neue Einrichtung. Liegt mitten im Wald, ganz abgeschieden, nur weiblicher Lehrkörper - wunderbar. Leider in Deutschland noch nicht staatlich anerkannt, aber wie Sie schon sagten, das höchste Gut ist ja das Lernen an sich.«
    Keine Ahnung, wie sie’s hinkriegte, aber Leila liefen jetzt tatsächlich Tränen über die Wangen.
    Ich warf Frau Beierle einen um Verständnis bittenden Blick zu. »Ist wohl besser, wir gehen. Wenn wir vorher noch schnell die Abrechnung machen könnten…«
    Während sie im Nebenzimmer verschwand, um das Scheckheft zu holen, und Leila kurzfristig ungerührt ihren Saft trank, sagte ich so leise, daß es möglichst geflüstert wirkte, aber laut genug war, um nebenan gehört zu werden: »Ich weiß, du bist verzweifelt, weil ich das Internat im Moment nicht bezahlen kann und du so gerne wieder zur Schule gehen würdest. Aber wie dein Vater dir vielleicht mal beigebracht hat, sagt man bei uns zu Hause: Bringst du einem Verdurstenden ein Glas Wasser, wird er dich für Regen belohnen. Und mein Beruf ist es, den Leuten das zurückzubringen, was sie vermissen wie der Verdurstende ein Glas Wasser. Verstehst du? Es ist nicht immer so ein süßer, aufgeweckter Hund wie Susi. Manchmal ist es nur ein Fahrrad, das ich wiederfinde, aber weil der persönliche Wert für den Besitzer so groß ist, belohnt er mich, als hätte ich ihm seinen Mercedes zurückgebracht. Hier in Deutschland passiert das natürlich eher selten, weil einfach die Kultur eine ganz andere ist. Aber hin und wieder kommt es schon mal vor, vielleicht schon in den nächsten Wochen oder Monaten, und dann…«
    Plötzlich bekam Leilas Gesicht wieder diesen geprügelten Ausdruck, und ich wandte mich zur Tür. »… Oh, Frau Beierle, da sind Sie ja wieder. Ich erkläre Leila gerade die Herkunft dieser wunderschönen Figur in Ihrem Garten…«
    Aus dem leicht ironischen Lächeln wurde ein wissendes Lachen, sie schüttelte den Kopf, legte mir die Hand auf die Schulter und sagte wie zu einem Kleinkind, das sich bemühte, irgendwelche Erwachsenendinge anzustellen: »Aber Herr Kayankaya, mir brauchen Sie doch nichts vorzumachen. Ich weiß doch, daß Sie im Moment an nichts anderes denken als an Ihre Nichte und Ihre Familie. Auch wenn Sie mir bei unserer letzten Begegnung in einigen Dingen, die Ihre durch Herkunft geprägten Eigenschaften betreffen, widersprochen haben - vielleicht sogar zu Recht, da will ich mich gar nicht aufs hohe Roß setzen -, bin ich doch wohl so weit mit Ihrem Denken und Fühlen vertraut, daß ich mir an einem Finger ausrechnen kann, daß Sie Ihrer Nichte jetzt keine Vorträge über eine alte Statue halten.«
    »Na ja, ich…«
    »Jetzt passen Sie mal auf…« Mit zwei harten Schritten ging sie zum Tisch, füllte den Scheck aus, wedelte ihn energisch trocken und drückte ihn mir in die Hand. ».. .Und keine Widerrede. Das ist natürlich vor allem für Ihre hervorragende Arbeit - Sie wissen, wie glücklich ich bin, meine Susi wiederzuhaben -, aber es ist auch

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