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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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trat einen Schritt zurück, guckte uns abwechselnd an, schüttelte den Kopf und wandte sich mit spitzer Miene ab, als ginge ihn das hier plötzlich nichts mehr an.
    In Oberursel übertönte dann ein gellender Ausruf der Freude sämtliches Gebell. Fast wäre ich von der Kiste gefallen. Im nächsten Moment kam Leila angerannt, haspelte aufgeregt auf mich ein, packte mich am Arm und zog mich zu einem der Käfige. Für mich sah’s aus wie irgendein weiterer Schäferhund, doch nach Leilas Überzeugung sprang hier mein Zweiwochengehalt herum. Tatsächlich reagierte er auf den Namen Susi mit begeistertem Jaulen und Schwanzwedeln. Ich gratulierte und umarmte Leila, die vor Stolz und Aufregung kurz vorm Platzen schien. Dann gingen wir ins Büro, regelten die Formalitäten, ich kaufte eine Leine und kündigte Frau Beierle telefonisch unser Kommen an. Eine halbe Stunde später fuhren wir los: Leila, ausgelassen und fröhlich wie eine Lottogewinnerin, ich, voller Hochachtung und inzwischen fast katerfrei, und Susi, den Kopf aus dem Fenster, mit Gebell ganz Rhein-Main begrüßend.
    »Ich stell dich als meine Nichte aus Bosnien vor.«
    »Warum?«
    »Weil deine Anwesenheit sonst zu kompliziert für sie wird. Sie hat’s gern übersichtlich. Und versuch mal traurig dreinzuschauen. Wenn ich was über Bosnien sage, könntest du ein bißchen weinen oder die Hände vor die Augen schlagen.«
    »Beschiß, was?«
    »Nicht wirklich. Sie würde sich beschissener fühlen, wenn wir sie nicht bescheißen…« Ich sah Leilas verständnislosen Blick und winkte ab. »Vergiß es. Mach einfach ein trauriges Bosnienmädchen, den Rest kriegst du dann schon mit. Und wenn du deinen Schmuck für die Weile wegstecken könntest…«
    Kurz darauf parkte ich den Wagen, wir stiegen aus, und Leila holte die jetzt euphorisch jaulende, wie verrückt an der Leine zerrende Susi von der Rückbank. Frau Beierle bewohnte eine Villa mit kleinem Park und Auffahrt. Ich klingelte an dem schmiedeeisernen Tor, der Summer ertönte, und während Susi sich losriß und vorausstürmte, stapften Leila und ich den hellen Kiesweg hinauf. Wir waren auf halber Strecke zwischen Tor und Villa, als Frau Beierle aus der Tür trat und Susi in die Arme schloß.
    In Anlehnung an den bekannten Satz eines ehemaligen Politikers, mit Tugenden wie Pflichterfüllung, Treue und Gehorsam könne man ein kz leiten, dachte ich, mit Frau Beierles Frisur auch. Die dunkelblonden, glatten, in der Mitte zwischen Ohren und Schultern exakt auf einer Linie abgeschnittenen Haare waren am äußersten linken Stirnrand so streng gescheitelt, daß sich ein gerader Strich weißer Haut über den Kopf zog. Rechts des Strichs hielt eine Metallklammer die Haare zurück. Der Rest fiel, säuberlich ein Haar neben dem anderen, wie dressiert herunter. Vermutlich hatten Haare, die nicht gezielt genug wuchsen, bei ihr keine große Zukunft. Ihr Gesicht war quadratisch und eher platt mit einer kleinen Himmelfahrtsnase, kleinen flinken Augen und einem kleinen Mund, den sie ewig zu einem leicht ironischen Lächeln verzog, als betrachtete sie alles, was auf dieser Welt gesagt und gemacht wurde, von einzigartig hoher Warte und sähe von dort menschliche Schwächen und verrückte Zusammenhänge, von deren Existenz der Normalsterbliche nichts ahnte. Sie trug einen grauen Hosenanzug, ein weißes Seidentuch um den Hals und blitzblank polierte, flache, geschlechtslose Schuhe. Nachdem sie uns die Hände geschüttelt, sich lange bedankt und immer wieder versichert hatte, wie glücklich sie und natürlich auch Susi seien, bat sie uns ins Haus und bot Kekse und Getränke an. Wenig später saßen wir bei Kirschsaft und Vollkornvanillekipferl im Wintergarten. Hinter den Fenstern lag ein kleiner Park mit einem Springbrunnen und einer vermutlich ägyptischen Statue. Susi tollte dort herum und feierte mit kurzen, hastig ausgestoßenen Urinstrahlen Wiedersehen mit Büschen und Bäumen. Rechts sah man das frisch zugedrahtete Loch im Zaun, durch das sie vor zwei Wochen verschwunden war. Vielleicht hatte sie jemand weggeschnappt, vielleicht war sie einfach zu bescheuert gewesen, den Weg zurück zu finden.
    »Und Sie sind also Herrn Kayankayas Nichte.« Frau Beierle nickte Leila freundlich zu. »Und leben Sie auch in Frankfurt, wenn ich fragen darf?«
    Leila ließ die Mundwinkel, wie ich fand, etwas zu theatralisch sinken und schaute wie geprügelt in meine Richtung.
    »Ahm… sie ist erst seit zwei Monaten hier. Mein Bruder hat nach Bosnien

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