Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
Vom Netzwerk:
Kind!”
    Unwissenheit ist keine Entschuldigung. Sie ist ein Fakt, wie alles andere. Du hast ihm den Tod gewünscht, weil er tun konnte, wozu du nicht imstande warst.
    Wähle.
    Aber sie hatte sich bereits entschieden. Severn war ein Falke, kein Wolf.
    Wähle.
    Sie fauchte auf Leontinisch. Hätte sie Fangzähne und Klauen, sie würde die Wurzel aus ihrer Verankerung reißen und das verdammte Ding
fressen
, nur damit es endlich schwieg. Es war eine beliebte Drohgebärde bei den Leontinern. Aber ihr fehlte beides.
    Sie sah auf und Severn direkt in die Augen. Er verschwamm in ihrem Blickfeld. “Ich will sie sehen”, sagte sie.
    Er sagte nichts.
    Ihre Stimme wurde belegter. “Severn …”
    Aber er schüttelte den Kopf. “Ich habe die Wahl getroffen”, sagte er grob. “Ich habe sie umgebracht. Nicht du, Kaylin. Du hättest es niemals gekonnt.” Das glaubte er. Warum auch nicht? Er hatte sie besser gekannt als jeder andere, es stimmte.
    Oh, sie hatte ihn gehasst. Der Hass in ihr gefror, hart und kalt, und starb in diesem Augenblick. “Du hast die Welt gerettet”, sagte sie zu ihm. Und dieses Mal meinte sie es ernst. Sie wollte weinen.
    “Was für eine Welt”, war seine bittere Antwort, “habe ich gerettet, die das von mir verlangen konnte?”
    “Unsere.” Sie berührte langsam sein Gesicht, und dieses Mal hielt er sie nicht zurück. Stattdessen senkte er seinen Kopf in ihre Hand. Sie hatte die Dolche fallen lassen, beide verfingen sich in den Falten ihres Rockes. Kaylin schlang ihre Arme um seinen Hals und zog seinen Kopf zu sich herunter. So hielt sie ihn für eine lange, lange Zeit.
    Hasste, endlich nicht mehr Severn, sondern sich selbst.
    Er ist Dein
, sagte die Wurzel. Die Worte schrieben sich in einem Rausch aus Bewegung und Veränderung.
Weil er deine Last trägt. Begreife, was dir geboten wird. Verstehe, dass Unwissen dich nicht rettet.
    “Ich nehme ihn. Wir hatten einander einst, und wir hatten nur einander.” Sie schwieg einen Augenblick lang. “Die Welt ist es immer noch wert, gerettet zu werden.” Knapp. Aber knapp musste reichen.
    Dann klettere
, lautete der Befehl.
Du hast die erste Tür durchschritten.

14. KAPITEL
    “D u hast leicht reden”, murmelte Kaylin.
    Severn hob seinen Kopf und sah sie an. Er löste sich sanft aus ihren Armen und trat noch einen Schritt zurück. Jetzt erblickte er ihren Rock und zuckte zusammen. “Die Dolche”, stieß er hervor.
    “Die kann ich sauber machen.”
    “Aber du kannst nicht damit nähen.”
    “Wohl wahr. Meinst du, es fällt auf?”
    “Zwei riesige Risse und ein bisschen Blut?”
    Sie verzog das Gesicht. Ging ein Stück zurück und prallte gegen die breite Wurzel. Sie war immer noch da.
    Severn musterte das Gewächs abschätzig. “Wir könnten ein paar Probleme haben, daran vorbeizukommen.”
    “Ich bin nicht sicher, ob wir das sollen.” Sie legte ihre Hände um die dicke Wurzel und bekam dabei Dreck unter die Fingernägel. Schon wieder. Die Worte hatten sich nicht weiter verändert und glühten auch nicht länger. “Ich glaube, wir sollen an dem verdammten Ding hochklettern.”
    “Wohin?”
    Sie hob eine Augenbraue. “Überall hin, nur nicht hier.”
    “Ich gehe zuerst.”
    “Einen Dreck wirst du.” Und einen Augenblick später: “Ich brauche einen Schubs.”
    Er lachte. Stellte sich breitbeinig hin, legte seine Hände ineinander, Kaylin stellte einen Schuh hinein. Er hob sie an, und sie packte zuerst nach der großen Wurzel, dann nach ein paar kleineren. Sie begann, diese zur Seite zu schieben, und sie fielen auseinander, als wären sie nur locker in eine unsichtbare Oberfläche gesteckt.
    “Ist da ein Loch?”
    “Kaum eins. Aber ich glaube, wir können uns durch das Gestrüpp quetschen, wenn das hilft.”
    Er nickte, und sie stieg wieder hinab. Auf seinen Schultern sitzend machte sie sich ans Werk, wickelte kleine Ranken um den Stamm der großen Wurzel. Sie schienen jetzt gerade nach oben zu wachsen statt an der Decke entlang.
    Kaylin nickte ihm zu, was er nicht sehen konnte. Sich über ihre eigene Dummheit ärgernd, schlug sie sich an den Kopf und sagte Severn, dass sie gleich loslassen würde. Was in diesem Fall hieß, seine Schultern hochzuklettern und sich auf sie zu stellen, um nur an der vertikalen Wurzel Halt zu suchen. Es gelang ihr. Eine Minute lang sah sie nur noch Dreck, und Dreck war nicht das Liebste, was sie einatmete. Aber der Geruch war sauber und neu, und damit gab sie sich zufrieden. Sie schob sich höher und

Weitere Kostenlose Bücher