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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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Sie hatte noch nie gut Geheimnisse bewahren können, und sie war schrecklich im Lügen.
    Aber der Instinkt, der ihren Mund verschloss, war älter und stärker als beides, und so sagte sie überhaupt nichts.
    Minuten verstrichen, oder vielleicht Stunden. Severn streichelte ihre schmutzigen, verstrubbelten Haare. Er flüsterte Dinge, die keinen Sinn ergaben, in seiner leisesten, sanftesten Stimme. Sie wollte den Frieden dieses Augenblicks und nahm ihn sich, Hohe Hallen hin oder her. Sie hatte zu viel gesehen, und nur auf diese Art konnte sie alles ertragen: in seinen Armen. In dieser Sicherheit.
    Die Sicherheit mochte eine Illusion sein, der Trost war es nicht.
    “Es ist vorbei”, sagte er zu ihr. Das hatte er gesagt. “Es ist vorbei, Elianne. Es ist vorbei.”
    Sie ließ es ihn wieder und wieder sagen, bis sie halb daran glaubte. Der Wille war stärker als die Fähigkeit, zu glauben, aber hatte Severn nicht selbst genau das gesagt? Sie hielt sich dennoch daran fest.
    Und dann sah sie von seiner Brust auf, lehnte sich ein Stück aus dem sicheren Hafen seiner Arme zurück und blickte zu der einzigen Tür im Raum. “Es ist wirklich vorbei”, sagte sie leise zu ihm. “Fürs Erste.”
    Sie war wirklich bemitleidenswert optimistisch.
    Severn führte sie zur Tür, und sie folgte ihm, als würde sie gerade erst lernen, zu gehen. Auf halbem Weg beugte er sich hinab und zog ihr die Schuhe aus. Er bot nicht an, sie zu tragen, und sie würde ihn nicht darum bitten. Was er stattdessen trug, brauchte keine körperliche Anstrengung, aber es war viel wichtiger. Na ja, bis auf die Schuhe.
    Sie erreichten die Tür gemeinsam, und zu Kaylins Erleichterung lag kein Zauber darauf. Es war einfach eine elegante Tür, und in ihre Balken war ein großer Baum geschnitzt. Severn griff nach dem Griff – weil der Zauber fehlte, musste es einen geben – und zog sie auf.
    Sonnenlicht fiel durch hohe Baumkronen auf die geöffnete Tür, und der Klang sanfter Musik und noch sanfterer Stimmen drang zu ihnen hinein.
    Mit ihnen kam eine Brise und auf ihr der Duft nach Essen. Kaylins Magen zog sich zusammen und knurrte, was ihr normalerweise peinlich gewesen wäre. Aber sie war an einem Punkt angelangt, an dem sie nichts mehr in Verlegenheit bringen konnte.
    Fast.
    Doch als sie durch die offene Tür trat, ihre Haare mit dem Dreck der Wurzeln verschmiert, ihre Nägel eine Mischung aus Blut und Erde, ihr einer intakter Ärmel über dem Schlitz, den der fallen gelassene Dolch zu verantworten hatte, blieb sie stehen. Unter ihren Füßen befand sich vertrauter Stein, und sie konnte ihn an den Sohlen ihrer nackten Füße spüren. Er war von der Sonne gewärmt und hart, aber nicht so hart, dass man nicht ohne Schwierigkeiten darauf gehen konnte.
    Sie sah sich um und begann sich immer mehr zu fürchten.
    Und fand sich im Zentrum des Steinkreises wieder, in dem der Lord des Barranihofes thronte. Sie stand etwa drei Fuß links neben seinem Sessel.
    Es hätte Geräusche geben sollen.
    Oder Gebrüll.
    Überraschte Reaktionen oder wenigstens Empörung. Wachen hätten Schwerter ziehen sollen. Barrani hätten sie verhöhnen, ihre Nasen rümpfen oder
irgendwas sagen
sollen. Irgendwas. Egal was.
    Aber als Severn sich ihr anschloss und sich so neben sie stellte, dass sein Schatten sie verdeckte, bemerkte sie, dass sie
alle
den Lord des Barranihofes anstarrten. Jeder Einzelne von ihnen. Kaylin hatte sich schon oft in vollen, großen Räumen aufgehalten und Nachrichten überbracht, die für Überraschung oder Schock sorgten. Sie hatte beobachtet, wie die Überraschung sich verbreitete wie Wellen um einen Stein, den man ins Wasser warf, doch selbst wenn es so weit nicht kam, wurde es nie
vollkommen
still. Es gab immer ein Kind, einen Idioten oder einen Betrunkenen, der nicht merkte, dass die Falken da waren.
    Die Aufmerksamkeit, die ihr nicht entgegengebracht wurde, war deswegen vollkommen unnatürlich und machte sie extrem nervös. Die Tatsache, dass sie so falsch angezogen war, wie es nur ging, schien niemandem aufgefallen zu sein. Und das
sollte
es. Man hätte sich über sie lustig machen oder sich beleidigt zeigen sollen.
    Sie blickte zu Severn. Er berührte sie mit nichts außer seinen Augen, und die waren leicht zusammengekniffen. Eine kurze Erinnerung, dass sie sich nicht unter Freunden befand. Als würde sie die brauchen.
    Vielleicht tat sie das wirklich. Sie fühlte sich desorientiert. Der Hohe Kreis sah komisch aus, als hätte sich das leuchtende, magische

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