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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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er.”
    Es überraschte sie nicht. “Er hat bestanden”, sagte sie leise.
    “Er hat bestanden, als gäbe es keine Prüfung, der er sich unterziehen musste”, antwortete der Lord der grünen Auen. In seiner Stimme schwang Stolz mit. Er spiegelte sich nicht in seinen Augen wider, aber das Schwarz dieser Augen war jetzt fast undurchdringlich. Farbe fand dort so wenig Halt, dass sie auch keine erwartete.
    “Er hat bestanden und hat sich uns bei Hofe angeschlossen.” Er hielt kurz inne, ehe er weiter sprach. “In unserer Geschichte war es die kürzeste Prüfung, die die Hohen Hallen je verhängt haben. Es war fast, als … als hätten sie ihre Entscheidung bereits getroffen.”
    “Deine war nicht so einfach.”
    “Ich sage nicht, dass seine Prüfung einfach war, nur, dass er sie ohne Zweifel bestanden hat.”
    “Und du nicht”, brachte sie sacht hervor.
    Schwarze, schwarze Augen.
    “Aber du bist zurückgekehrt.”
    “Ich bin zurückgekehrt.” Er blickte wieder auf den Lord der Westmarsche. “Er versteht seine Pflicht”, sagte er leise. Schmerz und Zögern lag in seiner Stimme. “Und er
will
sie nicht erfüllen.”
    “Du …” Sie hörte auf, zu sprechen. Fast hörte sie auf, zu atmen. “Du kannst von ihm nicht erwarten,
dich umzubringen
.”
    “Er ist der Lord der Westmarsche. Er hat sich seiner Tortur gestellt, und er hat sie akzeptiert.”
    “Er hatte doch keine andere Wahl! Er musste die Prüfung ablegen …”
    “Kaylin”, sagte der Lord der grünen Auen. “Elianne.”
    Sie nickte.
    “Du selbst hast dich der Prüfung deiner
Pflicht
gestellt. Du hast versagt.”
    Und da spürte sie, wie eine heiße Welle der wilden Wut sie erfasste und ihre Worte mit sich trug. Sie abschliff. Doch als sie scharf genug waren, um damit zu schneiden, konnte sie nicht länger sprechen. Ihre Sprache, so schien es, unterlag ganz den Launen des verdammten Lords der grünen Auen.
    “Er hat, als er zurückgekehrt ist, nicht begriffen, dass seine Prüfung noch vor ihm liegt.”
    “Und du schon?”
    “Damals? Ich war neidisch, Elianne. Ich war neidisch, und ich hatte Angst. Mein Bruder ist auf jede erdenkliche Art ein besserer Mann als ich. Er hatte seine Pflicht … ich hatte die Wahl.”
    “Aber
welche Wahl verdammt noch mal hast du getroffen
?” Die Worte ergossen sich als ein Schwall Silben aus ihr, der ohne Pause immer weiterzugehen schien.
    Er sah sie an, ohne zu blinzeln. “Ich hätte nie zurückkehren sollen”, flüsterte er. “Ich hätte dort sterben müssen.”
    Das war kaum eine Antwort.
    “Und”, fuhr er leise fort, “das hätte ich auch getan. An dem Tag, an dem ich den Turm betreten habe, wurden Gesetze gebrochen. Sie sind nicht deine Gesetze, kleiner Falke. Sie sind nicht deine Verhandlungen. Sie haben keine Wachen, sie teilen keine ein.” Er zögerte. “Mein Bruder darf nicht versagen”, sagte er schließlich, drehte sich wieder um und begann fortzugehen. “Weil ich immer noch nicht die Kraft habe, zu tun, was getan werden muss. Ich lebe. Und während ich lebe, stehen wir einem Tod gegenüber, den du weder verstehen kannst … noch zulassen.” Er drehte sich nicht wieder zu ihr um. “Du hast dich der Prüfung unterzogen, der sich mein Bruder jetzt stellen muss. Du hast versagt. Du wurdest vor den Folgen deines Versagens durch einen anderen gerettet. Wenn mein Bruder am Ende doch scheitert, dann erinnere dich an dein eigenes Leben mit Wohlwollen.”
    Und sie dachte an Steffi und Jade. Sie erwachte mit einem Schrei.
    Severn kannte diesen Schrei und hielt sie trotzdem fest. Sie sah sein Gesicht, als sie aufwachte, und wehrte sich einen Augenblick, ehe sie wieder in der Wirklichkeit ankam. Dann wurde sie ganz ruhig.
    Die Barraniwachen hatten die Tür geöffnet, aber sie waren nicht hereingekommen. Sie standen einen Augenblick im Türrahmen, als wollten sie die Situation abschätzen. Sie konnten Severns Gesicht nicht sehen, aber ihres sagte ihnen genug. Sie schlossen die Tür und blieben auf der anderen Seite.
    “Ich hasse die Barrani”, murmelte sie unverständlich.
    Er drückte sie einen Augenblick fester an sich. Dann ließ er los. “Was haben sie jetzt wieder gemacht? Und denk dran, alles, was in deinen Träumen geschieht, hat vor keinem Gesetz Bestand.”
    “Es ist
Leoswuld”
, erklärte sie ihm.
    Er sagte nichts.
    “Und ihre Gesetze. Die nicht unsere Gesetze sind. Eigentlich gar keine Gesetze.” Sie richtete sich auf.
    “Kaylin.”
    Und sah ihn an. “Du hast mir nie erzählt,

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