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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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Es war egal. Wenn sie hinter dem Lord der grünen Auen bleiben konnte, musste sie es nicht wissen. Aber es war schwer, mit ihm Schritt zu halten.
    Sie sah schwarzen Nebel über dem Boden, und sie wäre auf der Stelle stehen geblieben. Sie war barfuß, und sie blutete, und sie wusste es besser, als ihr Blut dem anzubieten, was dort lauerte und versuchte, Gestalt anzunehmen.
    Aber er hob sie einfach hoch, wusste um ihre Angst – und wusste sie zu schätzen –, und sie ließ ihn, auch wenn es sie langsamer machen würde.
    Es hätte sie langsamer machen sollen.
    Er jedoch schien aus der Bewegung Kraft zu gewinnen, aus der Dringlichkeit, aus dem Verstreichen der Zeit. Sie erlaubte es sich, sich an ihn zu klammern, während er rannte. Der Nebel teilte sich, oder er quoll unter seinen gepanzerten Stiefeln auseinander. Er setzte sie nicht ab, und sie fragte sich, ob es überhaupt einen Ort geben würde, an dem er es sicher konnte. Sie hasste Schuhe mehr, als sie sagen konnte. Sie konnte sich nicht einmal die Worte überlegen, mit denen sie ihrem Hass Ausdruck verleihen konnte. Was überraschend sein sollte, wo sie doch gar keine anhatte.
    Und dann hätte sie schwören können, dass eine Wand sich
teilte
, und sie blickten in einen Wald aus Grün und Braun und Gold, mit von Sonne gerahmten Schatten und den Steinpfaden, die wie Kunstwerke für müde Füße ausgelegt waren. Über den Wald erhaben sah sie die Krone des Baumes –
des ersten Baumes
–, der den Thron des Lords des Barranihofes bildete und der seiner Lordgemahlin Schatten spendete.
    Und sie sah auch die Flammen und den schwarzen Rauch in der Ferne.
    Dann stellte er sie ab und rannte, und sie rannte ihm nach. Er schien nichts zu berühren, und sie stieß sich die Zehen und riss schlanke Stängel aus ihren dünnen Wurzeln und zertrat offene Blüten unter ihren Füßen. Sein Mantel blieb in nichts hängen, ihre Röcke – na ja. Je weniger man sagte, desto besser, denn stehen zu bleiben, um zu fluchen, bedeutete, ihn zu verlieren.
    Sie verlor ihn sowieso.
    Zu ihrer Linken, im Herzen des Waldes, den sie bisher für einen Garten gehalten hatte, loderte Feuer auf. Er blieb stehen, zögerte, machte dann eine ausladende Geste, und das Feuer zog sich zurück. Sie blieb nicht stehen, um beim Verlöschen zuzusehen, sie nutzte die Gelegenheit, um aufzuholen.
    Aber sie war sich auch klar, dass sie getan hatte, was sie konnte. Jetzt war sie nur noch Zierde, nicht mehr. Die Schwärze, die sie für Rauch gehalten hatte, als die Wand sich teilte, war
kein
Rauch; sie hatte so etwas schon einmal gesehen.
    Er folgte dem Pfad, und der führte ihn schließlich in den Hohen Kreis. Er betrat ihn. Kaylin blieb an seiner Umrandung, die nicht aus Worten in Steinen, sondern aus Bäumen bestand, stehen, und blickte auf eine Schlacht, die Legenden schreiben würde.
    Sie sah Schwerter blitzen, Rüstungen leuchten und Blut – überall Blut –, sah die Leichen von Wilden und die Leichen von Dingen, die größer waren als wütende Bullen. Sie sah Barranilords – und ihre Ladys – in Unmengen, und einige von ihnen waren gefallen und würden nicht wieder aufstehen.
    Dennoch zögerte sie, als die grün ummantelte Gestalt des Mannes, den sie vom Rand des Abgrunds gezerrt hatte, sich in die Schlacht stürzte.
    Sie sahen ihn, die Männer und Frauen, die ihren letzten Widerstand aufboten, und ein Aufschrei folgte seinem Weg. Sie traten auseinander, und sie wusste, sie hatte eine Gelegenheit – diese –, ihm zu folgen. Sie hatte ein Schwert, aber keine Rüstung, doch sie erinnerte sich an seinen Namen, als wäre er ein Teil von ihr, als würde sie ihn immer noch tragen.
    Sie konnte ihn lesen, aber nicht aussprechen, nicht einmal leise in ihren Gedanken, wo sie Nightshades Namen und den des Lords der Westmarsche so vorsichtig aufbewahrte.
    Sie sprang über die Leiche eines Wilden, ließ sich von der Schlacht tragen und gelangte so bis an den Thron selbst.
    Und dort sah sie endlich den blutüberströmten Mann, der der Lord des Barranihofes war … der es früher gewesen war. Er leuchtete, nicht wie Feuer, sondern wie Licht, blass und golden, und sein Schwert war der Zwilling dessen, das sein ältester Sohn führte. Seine Seite war durch Klaue oder Horn verletzt, auch wenn die Kreatur, die ihm die Wunde zugefügt hatte, nirgends zu sehen war, und er kämpfte verbissen weiter.
    Aber er kämpfte nicht allein.
    An seiner Seite, links und rechts, standen die Lady und der Lord der Westmarsche. Auch sie

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