Kaylin und das Geheimnis des Turms
Ellbogen gepackt und ihn zu sich umgedreht. Stattdessen versuchte sie so fest sie konnte, den Details ihres täglichen Lebens, die es für sie lebenswert machten, keine Aufmerksamkeit zu schenken. Als könnte sie etwas beschützen, indem sie es ignorierte. Sie ging weiter.
Er blieb vor ihrem Gebäude, an der verschlossenen Tür, stehen. Sie suchte nach ihren Schlüsseln, aber weil sie sich dabei absichtlich ungeschickt anstellte, um mehr Zeit herauszuschinden, erteilte er ihr eine kleine Lektion. Er legte seine Hand auf das Schloss, und sie spürte, wie ihre Wange errötete. Nur die eine.
Die Tür öffnete sich mit knarrenden Scharnieren.
Er sprach kein Wort, er sah ihr einfach in die Augen und wartete. So viel, schien sein Blick zu sagen, wollte er ihr gestatten, um ihrer Würde willen. Aber es lag an ihm, zu gestatten und zu entsagen.
“Ich sollte dich verhaften”, murmelte sie, als sie durch die Tür eilte. Sie schloss sich hinter ihnen.
Sein Lächeln erreichte seine Augen nicht. “Ich glaube, nicht einmal dein Hauptmann würde von dir verlangen, diese Pflicht zu erfüllen. Es steht dir natürlich frei, es zu versuchen.”
Sie ging an ihm vorbei die schmale Treppe hinauf und blieb in der Kurve stehen. Der Lord folgte ihr, und wieder schienen die Stufen sein Gewicht nicht zu bemerken.
Nicht einmal Teela konnte das.
“Doch, sie kann es”, sagte er.
“Willst du wohl aufhören?”
“Nein. Wenn du deine Gedanken schützen willst, musst du es lernen. Und ich fürchte, deine Fähigkeit, das zu leisten, wird von deiner Unfähigkeit eingeschränkt, etwas zu begreifen, was nicht von Fäusten, Messern und der Straße gelehrt wird.”
Sie wusste, dass er sich auf die Magier bezog. Sie wollte ihm fast vorwerfen, spioniert zu haben – aber was sollte das bringen?
“Sehr wenig.”
Und sie wollte ihn schlagen. Stattdessen schloss sie ihre Tür auf.
Ihr Zimmer war wie immer ein Saustall. Während sie sich von ihrem Kampf mit einem gottverfluchten Drachen erholt hatte, war es sauber und hell gewesen, aber das hatte an Caitlin gelegen, und als Caitlin ihre Besuche selbst nicht länger für notwendig hielt, war es in ein paar geschäftigen – und, ja, späten – Tagen wieder zu dem Ort geworden, den sie ihr Zuhause nannte. Wäscheberge waren die einzigen Kunstwerke, die herumstanden, die Fensterläden waren geschlossen und mit einer kleinen Kette zusammengebunden, und ihr Spiegel war zugedeckt.
Ihr Bett war natürlich nicht gemacht. Nichts war in dem Sinne gemacht. Selbst ihr Stuhl sah unordentlich aus, was komisch war, weil Stühle normalerweise nicht mehr gemacht werden mussten, sobald sie den Tischler verlassen hatten.
Sie ging zur Küche, und Lord Nightshade hob eine Hand. Obwohl sie ihm den Rücken zugedreht hatte, spürte sie es.
“Du bist hier”, sagte er ruhig, “um zusammenzusuchen, was du für dein Wohlergehen als unerlässlich erachtest.”
“Was?”
“Ich habe nicht vor, dich während dieser besonderen Feiertage in diesem Teil der Stadt weilen zu lassen.”
“Was?” Sie fühlte sich wie ein Papagei.
“In der Nachtschattenburg sind Gemächer für dich vorbereitet worden. Du wirst dort bleiben, bis der Hof sich aufgelöst hat.”
“Aber ich … ich muss doch … arbeiten …”
Seine Antwort war ein erhabenes Schweigen. “Du musst verstehen, Kaylin, es handelt sich hierbei nicht um eine Bitte.”
“Und wenn ich nicht gehen will?”
“Du willst nicht”, antwortete er mit einem barranischen Schulterzucken. “Na und?”
Der Dolch, den sie vergessen hatte zurückzustecken, sah in dem trüben Licht ihrer Wohnung bemitleidenswert aus. Sie starrte ihn einen Augenblick lang an und betrachtete dann den Koloniallord. Hier.
Ihr war kalt.
Nach einem Augenblick begann sie, ihre Kleidung zusammenzusuchen, ihre Waffen und die Stäbe, mit denen sie ihre Haare zusammenhielt. Sie steckte alles in einen Sack.
“Du kannst zurückkehren – wenn du es willst –, sobald die Dinge weniger … schwierig sind.”
3. KAPITEL
S oweit Kaylin Klassenunterschiede verstand – diese Methode der Erwachsenen, andere fertigzumachen, um sich besser zu fühlen –, kam sie sich wie ein Verräter ihrer Schicht vor. Lord Nightshade war gerüchteweise ein Magier von großer Macht, und obwohl sie den Beweis dafür mit eigenen Augen gesehen hatte – und Falken hatten ihre eigene Arroganz, wenn es darum ging, Meinungen zu vertrauen, die auf der Sammlung von Informationen beruhten –, war sie fast
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