Kaylin und das Geheimnis des Turms
dachte … ich weiß nicht warum, aber ich dachte, er ist vergiftet worden.”
“Und jetzt glaubst du etwas anderes?”
“Gift richtet Schaden an”, sagte sie vorsichtig. “Das habe ich schon mit eigenen Augen gesehen. Red …”
Er hob eine Hand. “Du meinst den Obersten Leichenbeschauer der Hallen?”
Sie nickte.
“Er ist ein fähiger Mann. Fahre fort.”
“Es gab keine Schäden. Also – ich hatte ja noch nie mit Barrani zu tun. Habt Ihr irgendeine Ahnung, wie schwer es ist, einen Barrani zu verletzen?”
“Einen Hauch”, sagte der alte Drachen, mit diesem Anflug eines Lächelns, das unheimlich unangenehm war.
“Ich musste auch noch nie einen Drachen heilen. Tiamaris hat mich nicht in seine Nähe gelassen.”
“Er ist weise”, sagte Sanabalis mit einem Nicken, “und er weiß dich offensichtlich zu schätzen.”
“Jeder, den ich bisher geheilt habe, war sterblich. Ich verstehe Sterblichkeit. Ich verstehe den Tod.”
Sanabalis hob seine unteren Lider. “Und doch hast du geglaubt, der Lord der Barrani sei vergiftet worden.”
“Ich muss mich geirrt haben”, antwortete sie.
“Oh?”
Sie hasste Drachen einfach. “Er hat geschlafen”, erwiderte sie fest. “Dann ist er aufgewacht.”
“Und doch war kein Mitglied seiner Sippe in der Lage, ihn zu wecken.”
Sie zuckte wieder mit den Schultern. “Anscheinend nicht. Oder die wollten es nicht versuchen. Die Barrani sind, was das angeht, sehr politisch.”
“Ich würde auf jeden Fall sagen, dass sein unnatürlicher Schlaf das Ergebnis ihrer Politik war, ja. Der Lord der Westmarsche hat viele Feinde.”
Sie schnaubte. “Wer nicht?”
“Eine gute Frage. Kein mächtiger Mann ist ohne Feinde. Und du, Kaylin, hast bereits gezeigt, dass du selbst Macht besitzt.”
“Irgendwer wollte nicht, dass er aufwacht, so viel ist sicher.”
“Warum sagst du das?”
“Eine Tür.”
Er hob eine Braue.
“Sie war eine magische Falle. Ist irgendwie explodiert.”
“Wer hat sie berührt?”
“Niemand.”
“Warum nicht?”
“Ich nehme an, weil niemand
sterben
wollte.”
“Kaylin, ich bin zwar berühmt für meine Geduld. Aber selbst meine Geduld hat ihre Grenzen. Wer hat entdeckt, dass die Tür verzaubert war?”
Sie zuckte erneut mit den Schultern. Es war ihr unangenehm. Die Augen, denen sie sich gegenübersah, waren etwas orange, und ohne den Schutz der unteren Membranen war die Farbe leuchtend. Sie schwor sich selbst, Kerzen nie wieder zu hassen.
“Ich war es.”
Er nickte, und die Farbe seiner Augen verlosch. “Wie?”
“Ich mag Magie nicht”, erklärte sie ihm, lockerte ihre Arme und ließ ihren Stuhl auf den Boden zurückkippen. Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch. “Jede Tür, hinter der sich irgendwer Offizielles versteckt, ist magisch. Selbst die Tür zum Westzimmer ist magisch.”
“Und diese Tür?”
“Auch magisch. Aber … irgendwie anders.”
“Wie anders?”
“Ihr habt doch meine Akten gelesen, oder nicht?”
“Ja. Du hast auch Magische Manifestationen nicht bestanden. Möchtest du mir das erklären?”
“Zu viele verdammt alberne Wörter, alle mehr als zwei Silben, und alle bedeuten ‘schlecht’.”
“Na gut. Gestatte mir, das Unvermeidliche anzunehmen. Fasse deinen Eindruck in deine eigenen Worte, und lass mich versuchen, darin einen Sinn zu erkennen.”
Sie zuckte mit den Schultern. “Das konnte sonst auch niemand.”
“Das waren keine Drachen.”
“Ihr seid Mrs. Maise nie begegnet.”
Sein Lächeln war dünn und echt. “Tatsächlich habe ich Mrs. Maise unterrichtet.”
“Wenn Ihr mir sagt, dass Ihr der alles beigebracht habt, was sie weiß …”
“Ich überlasse es deiner Fantasie. Die Tür, Kaylin.”
“Es fühlte sich einfach … falsch an. Schlecht falsch. Sie hatte das Handsymbol und sah wie eine normale Tür aus. Nur ein Flügel. Der Rahmen bestand aus echtem Stein, und an den Seiten hingen Fackelhalter. Die waren leer”, ergänzte sie noch. Sah mit den Augen eines Falken. “Aber mir stellten sich die Haare im Nacken auf, als wir darauf zugegangen sind. Teela hat mich gezerrt. Wir hatten nicht viel Zeit.”
“Du hast sie aufgehalten.”
“Severn hat mich gehört – Teela hat nicht aufgepasst. Das macht sie oft.”
“Sie hat die Warnung des Offiziers befolgt?”
Kaylin nickte. “Sie hat eine Hellebarde gegen die Tür geschleudert. Eine richtig schicke, echt teure Hellebarde. An den Wänden im Korridor hingen überall Waffen – gekreuzte Schwerter, Speere und
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