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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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zu klingen. Bisher hatte niemand etwas anderes als den vollen Titel benutzt.
    Und Kaylin, die es könnte, traute sich nicht. Sie konnte an die Silben nicht einmal denken.
    “Die Hohen Hallen”, erläuterte der Lord der Westmarsche, “sind die älteste noch erhaltene Baustruktur, die den Barrani bekannt ist. Es gibt Ruinen auf den wüsten Ebenen im Süden, die noch älter sind, doch niemand will die Ebenen durchqueren und sie beanspruchen. Dort wachsen Schatten und sonst fast nichts.” Er sah sie an.
    Sie blickte auf ihre Füße. Endlich sprach sie. “Ich weiß nicht, was die wüsten Ebenen sind.” Sie betonte den Ortsnamen anders.
    “Sie sind ein Denkmal”, sagte er ruhig. “Und mehr noch, sie sind unsere Geschichte. Die Geschichte der Drachen und der Barrani.” Er ging langsamer, um sich ihren Schritten anzupassen. “Hast du dich während deiner Studien nicht mit Geschichte befasst?”
    “Ich habe mich mit kaum etwas befasst”, gestand sie.
    “Ah. Dann lass uns über unsere eigene Geschichte sprechen.”
    Oder lieber nicht.
Aber das sagte sie nicht laut. Sein Tonfall klang nicht, als würde er aufdringlich werden.
    “Es gibt immer Vorfälle in unserer Vergangenheit, von denen wir lieber nicht sprechen würden. Sie kommen, genau wie die Geschichte der Ebenen für die Unsterblichen, im weiten Spektrum der Zeit oft vor. Doch es gibt Verbindungen im Leben. Einem einzigen Leben. Geschehnisse, die es komplett aufbrechen können.” Seine Augen hatten immer noch diesen merkwürdigen Blauton. Sie glaubte, er müsse von den Kolonien wissen und vom Tod von Steffi und Jade.
    Er sprach ihre Namen nicht aus. Wie könnte er?
    “Für einige”, fuhr er nach ihrer Gedankenpause fort, “dienen diese Geschehnisse als Wendepunkt. Sie definieren die Richtung und Form der Zukunft, aber die Zukunft ist
nicht
an sie gebunden und ihnen auch nichts schuldig.”
    Sie nickte.
    “Wir sprechen von Zeit zu Zeit von den Drachen und ihrem uralten Krieg”, erzählte er ihr. Der Korridor war lang, und Spiegel fingen die umhergehenden Personen ein und warfen ihre Bilder hin und her. Weder ein Anfang noch ein Ende waren erkennbar.
    “Doch wir sprechen nur selten von dem, was danach kam. Drachen sind ursprünglich, Kaylin. Sie kennen die Namen der Elemente. Wie Feuer”, fügte er leise hinzu und starrte einen Augenblick das Medaillon auf ihrer Brust an. “Sie wissen viel. Ihre Kriege haben ganze Wälder zerstört und dort alles getötet, was sich daran gelabt hatte. Sie waren ohne Gnade und ohne Sippschaft.”
    “Doch jetzt regiert der Drachenkaiser Ala’an. Er sitzt auf einem Thron aus Gold, und von dort aus erlässt er die Gesetze, auf die die Sterblichen sich verlassen. Er hat unter seinen Beratern Drachen, die weitaus älter sind als er, und er weicht nicht von der Bahn ab, auf die er sie gelenkt hat, als er die Hälfte von ihnen umbrachte. Es war der letzte Krieg”, sprach er mit gesenkter Stimme weiter, “den die Drachen gefochten haben. Vielleicht wird es nicht der letzte Krieg bleiben, in dem sie kämpfen. Die Geschichte spricht von der Vergangenheit, doch die Zukunft kann sie nicht verhindern.”
    Sie fragte sich, worauf er hinauswollte. Sie war ein Falke, und für einen Moment sah sie auf die Art der Falken. Auf irgendetwas wollte er hinaus.
    “Es gibt unter den Barrani einige, die die Winde dieser langsamen Veränderung erlebt haben. Manchen gefallen sie nicht. Unter unserer Art gibt es lange Feindschaften, die mit nichts bei den Sterblichen zu vergleichen sind. Aber es gibt auch diejenigen, die sehen, was aufgebaut worden ist, und die verstehen, dass eine Veränderung möglich ist.” Er kam an eine Tür. “Sie verstehen es nicht vollkommen”, sagte er noch und hob eine Hand, um den Schutzzauber in der Mitte der Tür zu berühren, “und es hat einen hohen Preis. Wo die Drachen Krieg führten, haben auch die Barrani Krieg geführt, und auch wenn der Krieg ein anderer ist, das Ende ist immer gleich – es gibt weniger Barrani. Wäre nicht die Macht, die der Drachenkaiser innehat, hätten die Barrani sich dieser Regel nicht unterworfen. Du musst begreifen”, sagte er, die Hand noch über dem Zauber, “dass seine Regentschaft von unserer Art bestenfalls widerstrebend anerkannt wird.”
    “Aber ihr bringt euch nicht gegenseitig auf unseren Straßen um”, sagte sie, als es ihr gelang, etwas Trotz aufzubringen.
    “Doch, das tun wir”, entgegnete er. “Und in den Marschen hat es Krieg gegeben. In den Bergen

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