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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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grollt es.”
    “Das verstehe ich nicht.”
    “Nein. Das tust du nicht. Veränderung hat für die, die sich nie verändern, einen hohen Preis, Kaylin. Veränderung war – für dein Leben – nicht weniger kostspielig. Doch welche Wahl hattest du?”
    Er wusste es doch. Sie war sich sicher. “Ich hatte keine Wahl”, entgegnete sie bitter.
    “Hattest du nicht? Trägst du nicht den Falken im Dienste des Kaisers?”
    “Nein. Ich trage ihn im Dienste des Volkes.” Sie sagte es schlicht, weil es die Wahrheit war und weil sie wusste, dass sie ihn nicht belügen konnte. Und das wollte sie, sosehr es sie selbst überraschte, auch gar nicht.
    “Du hättest den Tod wählen können”, belehrte er sie. Seine Hand schwebte immer noch.
    “Das hätte ich fast”, sagte sie gepresst.
    “Fast ist nicht das Gleiche”, war die leise Antwort. “Es beginnt jetzt.” Und er legte seine Hand auf die Tür.
    Sie schwang auf.
    Kaylin war sich nicht sicher, was sie erwartet hatte. Sicherlich keinen Wald, und Wald war auch nirgends zu sehen. Wie nannte man den Bruder? Lord der grünen Auen? Aber der Raum, ein riesiger Raum, war
nicht
grün. Er war steinern, und die glatten, behauenen Wände erhoben sich zu einer Kuppel, die aussah wie die künstlerische Darstellung einer großen Grotte.
    Ein einziger, ruhiger Teich lag in der Mitte des Raumes, keine Statuen in seiner Mitte, und das Wasser war regungslos und fast trüb. Gezackte Steine lagen im Kreis darum herum, und acht hohe Fackeln standen in gleichmäßigen Abständen um ihn herum.
    Ihr Atem hallte wider. Nur ihrer. Sonst schien niemand atmen zu müssen.
    “Wo ist er?”, fragte sie, und wieder hallten die Worte.
    “Er ist hier”, sagte der Lord der Westmarsche.
    Er ging auf das unbewegte Wasser zu.
    Kaylin folgte ihm, und dabei zogen ihre Füße – in Schuhen mit so dünnen Sohlen, dass sie die groben Umrisse der Steine durch das Leder spüren konnte – über eingravierte Wörter. Sie blieb stehen.
    “Sei ein Falke, Kaylin”, sagte der Lord der Westmarsche leise zu ihr. “Sei ganz du selbst,
Kyuthe
.”
    Sie kniete sich hin. Sein Befehl stellte es ihr frei, das zu tun. Leider änderte sein Befehl aber nichts am Schnitt ihres Kleides: den Falten ihrer Röcke oder der Enge der Ärmel, die wohl so entworfen waren, um ihre Arme zu verbergen, egal wie sie sich bewegte. Die herabhängenden Teile waren nervig, und sie überlegte sich, sie einfach abzuschneiden.
    Griff nach ihren Dolchen und erinnerte sich daran, dass sie sie nicht hatte. Gott, sie hasste Politik.
    Aber sie ließ den Hass einfach vergehen, die Worte warteten auf sie. “Ist das … Hochbarrani?”
    Er schwieg. Doch, war es. Sie erkannte einige der alten Formen. Aber nicht alle. An einigen Stellen war die Schrift falsch, zu breit, zu rund. Sie riss ihre Augen auf und starrte die grünen, verhüllenden Ärmel an, die sie trug. “Wie alt, hattet Ihr gesagt, sind die Hohen Hallen?”
    “Alt”, antwortete er.
    “Und dieser … Raum?”
    “Er ist, wie du schon richtig geraten hast, der älteste Raum in den Hallen.”
    “Dieses … dieses Wort …”, sie fuhr den Umriss mit den Fingern nach, “… das ist Hochbarrani. Es … es bedeutet ‘Blut’.”
    “Sehr gut.”
    “Und dieses, hier … das bedeutet ‘Leben’.”
    Sein Gesicht war vollkommen unbewegt. Er verriet ihr nichts.
    Sie kroch auf den Knien über den Boden. Fuhr Linien nach. Berührte. “Das ist Tod”, sagte sie, “und das Wachsen.”
    “Das letzte kenne ich. Du hast recht.”
    Sie sah auf, ihm direkt in die Augen. “Das heißt ‘Gefangenschaft’“, sagte sie zu ihm. Ihre Finger lasen das Wort, ihre Augen gehörten ganz ihm.
    “Das stimmt.”
    Sie stand auf und trat auf die Fackeln zu. Was ihr auf den ersten Blick wie Wasser vorgekommen war, stellte sich auf den zweiten als dickflüssiger und dunkler heraus. “Deshalb habt Ihr mich hergerufen”, sagte sie, ihre Stimme tonlos.
    “Es tut mir leid”, entgegnete er. “Ich konnte ohne Erlaubnis des Kastenlords nicht davon sprechen.”
    “Aber Ihr habt mich hergebracht.”
    “Mit seiner Erlaubnis.”
    “Kann ich einfach gehen?”
    Er schwieg. Zu lange.
    Sie ging an den Steinen entlang, die den Rand des Teiches bildeten. Auch dort standen Worte. Sie begann, fast unbewusst, sie zu sprechen. Auf halbem Weg bemerkte sie, dass ihre Lippen sich nicht bewegt hatten. Sie sah auf, fast panisch, und Andellen in die Augen.
    Sah Wissen in ihnen. Und einen Anflug von Zustimmung, Braun am Rand des

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