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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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gesprochen hatte, habe ich verstanden, dass die Opfer gewählt wurden,
weil
du ihre Namen kennst. Sie wurden wegen ihres Alters ausgewählt. Keines der Kinder war älter als zwölf und jünger als zehn. Ich nahm an, dass wer auch immer die Opfer in meinem Gebiet auswählte, immer näher dorthin gelangte, wo du dich aufgehalten hast. Dass etwas an diesen Opfern zu dir sprechen sollte und zu den Zeichen, die du trägst. Es war zu deinem Nutzen.
    Ich habe ihm nur noch eine weitere Frage gestellt im Tausch für die Antwort, die ich ihm anbot.”
    “Du hast ihn gefragt”, sagte sie wie betäubt, “ob die Zeichen sich verändert haben.”
    Er hob seine Augenbrauen kaum merklich. Die Augen darunter waren ein tiefes, klares Grün. “Sehr gut, Kaylin. Das ist genau, was ich ihn gefragt habe. Er hat nicht geantwortet, und natürlich reichte das aus.
    Ich weiß nicht, wer hinter all dem steckt. Ich kann es mir denken, aber ich werde diesen Gedanken noch eine Weile für mich behalten. Es ist nicht die Tat eines gesunden Mannes, aber auch nicht die eines Wahnsinnigen. Ich nehme an, es ist überhaupt nicht die Tat eines Mannes.”
    Sie dachte an das Siegel und an den Mann aus blauen Flammen. Dachte an die Lange Halle, mit einer Tür aus Stein, die aussah, als wäre sie Teil der Wand – wahrscheinlich, weil sie es die meiste Zeit lang war.
    “Ich könnte die Toten auflisten. Könnte sie zählen. Zahlen hatten in der alten Welt große Macht.”
    Sie fragte ihn nicht, woher er das wusste, weil sie es nicht wissen wollte. Falken waren Jäger, Falken waren Späher, Falken waren Sammler von Informationen. Sie war auf einmal froh, dass sie nichts trug, auf dem ihre Insignien abgebildet waren. “Was hast du – ihm gesagt?”
    “Ich habe ihm die Wahrheit gesagt, und nur die – wenn meine Vermutung, was die Zahlen anging, stimmte, dann war die Zeit gekommen, in der das letzte Opfer dargeboten wurde. Und dann würde sich die Macht manifestieren, der die Opfer dargebracht wurden.” Er schwieg eine Weile. “Diese besondere Art der Opfergabe wurde einst einfach Todesmagie genannt. Sie hat eine Macht inne, der lebendige Magie nicht gewachsen ist.”
    “Opfer werden dargebracht, um etwas zu erreichen”, sagte sie bitter. Sie wusste es bestimmt. Es gab viele Götter im Kaiserreich, mehr als sie benennen konnte, wurden jeden Tag allein in der Stadt Elantra verehrt. Sie war mit Teela, Tain und den meisten Aerianern dabei gewesen, als sie einen improvisierten Tempel für einen von ihnen zerstört hatten. Es gab ein paar, die der Drachenkaiser nicht duldete. Oder, dachte Kaylin verdrossen, auffraß. Sie war nicht mehr dort gewesen, als der Kaiser das Gebäude erreicht hatte. Clint hatte sie unter den Armen gefasst und hinauf in den Turm des Falkenlords geflogen, ehe die kleine Armee des Kaisers angekommen war.
    “Wenn sie Opfer sind – verdammt, sie
sind
es – wer soll dann durch die Macht der Todesmagie genährt werden?”
    “Verstehst du es wirklich nicht?”
    Sein Blick war ungerührt und eindringlich.
    Doch auch wenn er ihr vorgeworfen haben mochte, wegen Severn zu lügen – er wiederholte die Anschuldigung nicht, er runzelte nur die Stirn.
    “Die Opfer, Kaylin Neya, gelten
dir
.”
    Sie war froh, zu sitzen. Sich flach auf ihr Hinterteil zu setzen wäre mehr Demütigung gewesen, als sie mit Würde ertragen konnte.
    Doch sie schüttelte den Kopf, immer und immer wieder, als ob eine so einfache Geste die Worte ungeschehen machen konnte. Nein, nicht die verdammten Worte – die schlichte, nicht zu leugnende Sicherheit, dass sie die
Wahrheit
waren.
    “Severn war alt, zu alt, um noch ein Opfer zu werden. Er hat nicht danach gefragt. Aber ich konnte in seinem Gesicht lesen, dass er das Risiko genau verstand.”
    “Welches Risiko?”
    “Kaylin, du trägst Macht. Du
bist
Macht. Vielleicht bist du menschlich. Vielleicht warst du einfach menschlich, bis diese Zeichen und Siegel sich auf deine Haut zu schreiben begannen. Severn begriff die Bedeutung der Zahlen, die Zeit der Opfer, die Mondphasen. Und er war klug genug.
    Er hat mich gefragt, warum die Opfer mit dir zu tun haben mussten.
    Ich habe ihm, wahrheitsgemäß, gesagt, dass ich es nicht weiß. Aber ich habe ihm auch gesagt, dass mehr Macht von den Toten zu ihrem Empfänger fließt, je stärker die Bindung wird.”
    “Wie konntest du das wissen?”
    “Das konnte ich nicht.”
    “Dann warst du es, der –”
    “Kaylin, ich habe mich nicht geirrt. Ich habe ihm gesagt, er soll

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