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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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kontrollieren als ihren Mund. Und selbst in Letzterem war sie nie überragend gewesen.
    “Dann komm. Lass uns diese Kammer verlasen. Du wirst mit mir trinken”, fügte er leise hinzu, “während ich nachdenke.”
    Er führte sie in einen anderen Raum, und auch wenn er elegant ausgestattet war, war er eher klein. Dafür war sie dankbar. Sie sah sich die Wände an und bemerkte mit Erleichterung, dass hier keine weiteren Statuen zu finden waren – und auch keine Spiegel – und fast fielen ihr die kleinen Bilder an den Wänden zu ihrer Linken und Rechten nicht auf. Sie hatten keine Rahmen, und ihre Farben waren verwaschen, die Überbleibsel von etwas Leuchtendem, das man durch einen Schleier aus Nebel oder Rauch betrachtete, aber sie sah, dass sie Barrani darstellten. Allerdings keine Barrani, die sie erkannte, sie hatten langes, blasses Haar und goldene Augen. So viel konnte sie sehen, ohne näher zu treten – und seine Haltung gab ihr nicht die Erlaubnis, sie genauer zu betrachten.
    Stattdessen zeigte er auf einen niedrigen Diwan, und sie ging zögernd darauf zu. Sein Lächeln war eisig, als sie sich auf das am weitesten entfernte Ende setzte. “Du musst lernen, deine Taten nicht von Angst bestimmen zu lassen”, sagte er beiläufig zu ihr, als er sich ebenfalls setzte.
    “Ich bin hier.”
    “Das bist du wirklich.” Auf seine Geste hin kam Bewegung in die gegenüberliegende Wand. Die Türen öffneten sich, und Barrani, wahrscheinlich Diener, traten ein. Sie waren ganz in Weiß gekleidet, es ließ ihr dunkles Haar in erstaunlichem Kontrast leuchten. Sie brachten ihnen hohe Krüge mit langen Hälsen, und sie brachten auch silberne Kelche, die sie in vollkommener Stille füllten.
    Erst als sie einen der beiden genommen hatte, verließen die Diener sie wieder. Und erst, als sie den Kelch – zögerlich – an ihre Lippen legte, begann Lord Nightshade zu sprechen.
    “Severn hat nicht innerhalb der Burgmauern mit mir gesprochen. Er hat mir durch meine Wachen eine Nachricht zukommen lassen, und ich habe beschlossen, mich mit ihm in der Kolonie zu treffen.” Er spielte mit dem Rand seines Kelchs, ehe er trank. Anscheinend nur, um sie zu beunruhigen.
    “Er war … ein merkwürdiges Kind. Ich sehe nur wenige menschliche Kinder”, fügte er ruhig hinzu, “wenige sterbliche Kinder. Aber in Severn steckte etwas, das sich fast gelohnt hätte, zu nutzen. Ich hätte ihn in meinen Dienst genommen, hätte er sich angeboten. Hat er das je erwähnt?”
    “Du weißt verdammt genau, dass er nie –”
vorsichtig
, dachte sie und verkniff sich den Rest des Satzes, den sie wie an einer sehr dünnen Leine zurückhalten musste.
    “Oh, natürlich, damals hätte er sich nicht frei verdingen können. Seine Treue gehörte einem anderen. Er hatte Angst”, fügte er hinzu und blickte sie über den schimmernden Rand seines Kelchs schräg an, “vor mir. Aber die Angst wurde von einer noch größeren übertroffen. Das ist nur selten der Fall, und ich muss zugeben, ich war neugierig.
    Ich wusste natürlich von den Toten”, sagte er, und seine Augen berührten ihr Gesicht, als könne sie seinen Blick spüren. “Ich habe meine eigenen Magier nach den Tätern suchen lassen, innerhalb
meiner
Kolonie.”
    Seine Wut war spürbar, als wäre sie ihre eigene. Einen Augenblick lang war sie das wirklich. In der Stille des kleinen, eleganten Raumes wurden sie zu einer Person. Es fiel ihr schwer, sich loszumachen. Aber sie tat es.
    “Er war zu mir gekommen, sagte er, um mir Informationen über die Toten zu geben. Wir haben ihn nicht … freundlich behandelt. Aber wir haben ihn auch nicht sehr verletzt. Ich wusste auf den ersten Blick, dass nicht er die Hand hinter diesen Morden war.”
    “Weil er nicht –”
    “Zu den Magiern gehörte. Nein. Er war, auf seine Art, klug. Und er war – so wie jeder meines Volkes – verzweifelt. Er hätte mich sonst nicht aufgesucht. Er hat mir von dir erzählt.”
    Sie war vollkommen still.
    “Ohne Namen zu nennen”, fügte er leise hinzu, “und nicht freiwillig. Wir haben um mehr Informationen gefeilscht. Um zu bekommen, was er brauchte, musste er aufgeben, was er gesammelt hatte.”
    “Was hatte er –”
    “Er hat mich gefragt, ob es auch in den anderen Kolonien Tote gegeben hat.”
    Sie schloss die Augen. Konnte seine immer noch sehen, auf die Innenseiten ihrer Lider gebrannt, wie Sonnenlicht in ein ungeschütztes Auge.
    “Er hatte die Antwort bereits vermutet, und sie war nicht teuer. Ich habe ihm

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