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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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natürlich nicht, dachte sie, jetzt verbittert. Verbittert und ausgelaugt.
    “Du wirst in die Kolonien zurückkehren”, fügte er leise hinzu. “Und in die Langen Hallen.”
    “Den Teufel wird sie tun”, sagte Severn.
    Sie starrten einander lange an, und dann drehte der Koloniallord sich um und ging davon.
    Natürlich war Nacht in den Kolonien.
    Und sie spazierten darin herum. Oder vielmehr Severn und Tiamaris, Kaylin stolperte hinter ihnen her. Severn stützte sie, so lange er konnte, aber schließlich knurrte Tiamaris und hob sie einfach hoch. Er war nicht so sanft wie der Koloniallord, weil er ihr nicht so gefährlich nahe kam.
    Es war ihr so lieber.
    “Kaylin”, sagte Tiamaris leise. “Begreifst du, warum es die Kolonien gibt?”
    Sie zuckte mit den Schultern. Oder versuchte es zumindest, es war schwer, wenn man in den Armen eines Drachen lag.
    “Hast du dich das je gefragt?”
    “Hundert Mal”, sagte sie verbittert. “Tausend Mal. Manchmal an einem einzigen Tag.”
    Tiamaris legte die Stirn in steife Falten. “Ich merke schon, Lord Grammayre hatte alle Hände voll zu tun, falls er versucht hat, dir etwas beizubringen.”
    “Ich brauche keine Geschichtsstunden. Die helfen mir nicht, zu überleben.” Die Worte hallten durch ihr ganzes Leben wider. Originell waren sie jedenfalls nicht.
    “Gesprochen wie ein wahrer Falke”, entgegnete Tiamaris.
    Sie zuckte wieder mit den Schultern. Auch wenn er keine Rüstung trug, war seine Brust hart. “Ich glaube”, sagte er leise, “wir überlassen das Lord Grammayre.”
    “Nein”, sagte sie, jetzt müde, “ich glaube, ich weiß, was du wissen willst.”
    “Oh?”
    “Du willst wissen, ob ich mich je gefragt habe, warum die Lords der Gesetze die Koloniallords nicht einfach für immer ausgeschaltet haben.”
    “Ganz genau.”
    “Teufel, das haben wir uns
alle
gefragt.”
    “Es gibt einen Grund. Ich glaube, du fängst langsam an, ihn zu begreifen. Die Kolonien sind der älteste Teil der Stadt. Sie sind, mit Ausnahme von den Ruinen im Westen und Osten von Elantra, der älteste Teil des Imperiums; sie bestehen seit dem Aufkommen der Kasten.
    “Ich … habe einige Zeit in den Kolonien verbracht, habe die alten Schriften studiert und die alte Magie. Ich war dabei nicht allein, aber über die Hälfte der Magier, die mit mir ausgesendet wurden, hat es nicht überlebt. Die alte Magie lebt noch, auch wenn ihre Erschaffer es nicht mehr tun. Es gibt einige Orte in den Kolonien, die nicht erobert werden könnten, ohne die halbe Stadt zu zerstören, falls man sie überhaupt erobern kann. Sie alle tragen gewisse … Zeichen.”
    Ihr Kopf tat weh, und sie wollte nicht nachdenken. Aber sie strengte sich an. “Die Tätowierung”, sagte sie schwach.
    “Ja. Es ist das einzige Lebendige, das ich – oder jeder von uns – je gesehen habe, das von den Alten spricht. Deshalb hast du uns immer interessiert.”
    “Habe ich?”
    Darauf sagte er nichts.
    Im Dunkel der Straßen der Kolonien bewegten sich Schatten. Sie waren nass und weiß, eine verschwommene Bewegung, die eine Armlänge über dem Boden kauerte. Severn fluchte.
    Kaylin trug immer noch die feinen Kleider aus Nightshade, aber sie hatte ihre Dolche wieder. Sie hatte sich nicht umgezogen, weil sie es nicht unbeobachtet tun konnte und sie nicht versessen darauf gewesen war, sich vor allen auszuziehen. Severn hatte ihre Kleider an sich genommen. “Was?”, fragte sie zu scharf.
    “Die Wilden”, sagte er.
    Sie fluchte richtig. Sie hatte schon immer besser geflucht als Severn.
    Im Mondlicht – dem hellen Mondlicht – konnte sie sehen, dass Severn recht hatte. Die Wilden waren zum Spielen herausgekommen. Und wenn die Falken nicht verdammt vorsichtig waren, würde am Morgen ein Kind aus dem Haus kommen – um ebenfalls zu spielen – und entdecken, was die Wilden hinterlassen hatten.
    Sie hatte so etwas selbst ein oder zwei Mal gefunden. Ganze Albträume blieben ihr von diesen Erfahrungen.
    “Severn?”
    Er löste bereits die lange Kette von seiner Hüfte. “Es sind nur zwei”, sagte er leise. Nichts in seiner Stimme verriet seine Angst. Auch nichts in seiner Haltung. Sie fragte sich, ob er sich so sehr verändert hatte, dass er tatsächlich keine spürte.
    Sie hatte es nicht.
    Tiamaris setzte sie ab. “Beweg dich nicht”, sagte er ihr grimmig. Ihre Hand lag bereits auf einem Wurfmesser, sie hatte es aus dem Gürtel gezogen, und das Mondlicht blitzte auf einer seiner zwei Schneiden. Aber ihre Hand war

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