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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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Ecke.
    Dort, in einem Raum, der fröhlich war und hell – ganz anders als das, was sie vom Rest der Hallen gesehen hatte – waren Severn, Tiamaris und die zwei Barrani, die Lord Nightshade als Wache begleitet hatten.
    Die Wachen hatten ihre Waffen gezogen.
    Severn hielt die Glieder einer dünnen Kette in der Hand. Am Ende dieser Kette hing eine flache Klinge. Sie hatte noch nie gesehen, wie er eine Waffe dieser Art benutzte, und wusste, dass es ein Geschenk der Wölfe sein musste.
    Und sie wollte
nicht
sehen, wie er hier davon Gebrauch machte.
    “Severn!”, rief sie.
    Seine wütende Forderung wurde in der Mitte von ihrer Stimme unterbrochen. Es hätte ihn aufhalten müssen.
    Aber er starrte sie bloß an, das Kleid, das sie trug, ihre nackten Schultern und Arme, ihre nackten Füße, das Blut – verdammt sollte der Koloniallord sein, verdammt in welche Hölle auch immer die Barrani gesteckt wurden – auf ihrer Wange, ehe er die Richtung wechselte und begann, die Kette zu schleudern.
    Und sie kannte den Ausdruck auf seinem Gesicht. Hatte ihn schon in den Kolonien ein paar Mal gesehen. Es hatte immer mit Toten geendet.
    Dieses Mal allerdings glaubte sie, dass der Falsche sterben würde. Sie bewegte sich, ehe sie nachdenken konnte – nachdenken dauerte verdammt noch mal
zu lange
, – und stellte sich vor ihn, vor ihn, und zwischen Severn und den Koloniallord, der den Raum so leise betreten hatte, als würde er ihm gehören.
    Das tat er ja auch.
    “Severn!”, rief sie und hob ihre Hände, leere Hände, und an einer klebten noch braune Spuren ihres eigenen Blutes. “
Severn
, er hat mich nicht angefasst!”
    Severn sah ihr in die Augen. Die Kette bewegte sich jetzt so schnell, dass sie eine Wand bildete, eine Wand aus Metall. Er verkürzte seinen Griff, aber er hörte nicht auf, sie zu wirbeln.
    “Severn, leg das hin.”
    “Wenn er dich nicht angefasst hat, wieso bist du dann so angezogen?”
    “Lass die Kette fallen, Severn. Steck sie weg. Du bist als Falke hier. Und der Falkenlord will keinen Konflikt mit dem Koloniallord. Es ist dir nicht gestattet, zu sterben. Nicht hier.”
    Wenn er es tat, war sie sich nicht sicher, dass er der einzige Tote bleiben würde. “Fang keinen Krieg mit den Kolonien an”, brüllte sie. Musste sie brüllen. “Er hat mich nicht angefasst. Ich bin nicht verletzt.”
    “Du
blutest
”, sagte er.
    “Das Zeichen blutet”, fuhr sie ihn an. “Und ich brauche deinen Schutz nicht, verdammt noch mal – ich bin ein Falke. Ich kann auf mich selbst aufpassen!”
    Dann endlich wurde er langsamer. Sie hatte ihn. “Ich brauche keinen Schutz”, sagte sie noch einmal, und dieses Mal lagen in den Worten mehrere Bedeutungen für sie beide, und nur für sie beide.
    Sein Gesicht zeigte das erste Gefühl, das nicht Wut war. Und nachdem sie es gesehen hatte, war sie sich nicht sicher, ob ihr Wut nicht besser gefiel.
    “Nein”, sagte er schließlich schwerfällig. Die Kette hörte auf zu wirbeln. “Es ist lange her, seit ich das noch konnte. Dich beschützen.”
    Tiamaris, aus der Kaste der Drachen, erhob eine Stimme, die die ganze Länge der Langen Hallen entlanggeschallt wäre. “Gut gemacht, Kaylin. Severn, ich glaube, es ist Zeit für den Rückzug.” Sie sah, dass seine Augen rot loderten. Auch er war für einen Kampf bereit gewesen.
    “Deinen Begleitern fehlt es an einer gewissen Weisheit”, sagte der Koloniallord nahe an ihrem Ohr.
    “Was hast du hier getan, Koloniallord?” Tiamaris’ Stimme war leise. Gefährlich.
    “Was du vermutest, Tiamaris.”
    “Das war … leichtsinnig.”
    “In der Tat.” Er gab es beiläufig zu. “Und ich bin nicht der Einzige, der dafür zahlen wird. Bringt sie nach Hause. Sie wird einige Zeit brauchen, um sich zu erholen.”
    Severn wickelte die Kette langsam wieder um seine Hüfte. Er trat vor und fing Kaylin auf, als ihre Knie nachgaben. Sein Griff, eine Hand um jeden ihrer Oberarme, war
nicht
sanft. Kaylin wehrte sich nicht gegen ihn.
    “Die Toten, Koloniallord?”, sagte Tiamaris leise. Oder so leise, wie seine Stimme es zuließ.
    “Drei Tage”, sagte der Koloniallord, “zwischen dem ersten und dem zweiten.”
    “Und wie lange ist es jetzt her?”
    “Ein Tag seit dem letzten Opfer. Wenn es ein Muster gibt, wird es sich beim nächsten zeigen.”
    “Warum nennt Ihr sie so?” Kaylin sah auf und blickte zu ihm zurück.
    “Weil wir glauben, Kaylin, dass es sich darum handelt. Opfer. Hat der Falkenlord das nicht erwähnt?”
    Nein,

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