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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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sein.” Die Worte waren gelassen, und sie merkte, dass er sie nur zögerlich sprach. Aber als Abkömmling der Kolonien war er in erster Linie praktisch veranlagt – bei einem Kampf war jede Waffe nicht zu verachten.
    Am helllichten Tag waren die Straßen der Kolonien nicht verlassen. Sie leerten sich merklich, wenn die Patrouillen des Koloniallords sich näherten, und dieses Mal hatte auch Tiamaris nichts dagegen einzuwenden, als auch Kaylin und Severn sie lieber vermieden. Er verdrehte die Augen, verschränkte seine angespannten Arme vor der Brust und wartete – als wären sie Kinder, die nur ein Spiel spielten.
    Und das waren sie gewesen, dachte Kaylin. Aber es war ihr alles so ernst vorgekommen, als sie hier jung gewesen war. Sie rückte ihre Dolche ein wenig befangen zurecht, und als die Wachen des Koloniallords vorbeigezogen waren, folgte sie Severn. Er sagte nie viel, doch dass er jetzt noch weniger sagte, war keine Verbesserung. Er war auf dem Weg zu Vier Ecken.
    Sie folgte ihm.
    In den Kolonien herrschte ein auffälliger Mangel an Fantasie für alles, was nicht mit Wetten zu tun hatte. Vier Ecken könnte eine Kreuzung zwischen allen beliebigen Straßen sein. Aber in diesem Fall handelte es sich um die zwei breitesten Straßen. Die verfallenen Überreste von Herrenhäusern säumten ihre Seiten, und Unkraut wuchs aus jedem erdenklichen freien Stück Erdboden, den es zwischen der Straße und den Gebäuden selbst gab. In den unteren Fenstern steckte kein Glas mehr, und auch die Fenster, die mit einem gekonnten Steinwurf erreicht werden konnten, gab es schon lange nicht mehr, aber im zweiten und dritten Stock der abgenutzten, herrschaftlichen Gebäude gab es immer noch gelbliches Glas, das am oberen Rand langsam ausgedünnt war. Die einzelnen Scheiben wurden von Metallstangen eingefasst; die Menschen, die jetzt dort lebten, waren zu arm, um sich Gitter gegen die Diebe zu leisten.
    Aber das war sowieso gleich, keine der Türen hatte nennenswerte Schlösser, und niemand machte sich die Mühe, es zu versuchen. Die Zimmer in diesen Herrenhäusern waren unterschiedlich groß und alle belegt, manchmal von mehreren Familien auf einmal. Streitgeräusche drangen zu jeder Tageszeit auf die Straße.
    Zu jeder Tageszeit außer dieser.
    Vier Ecken war fast so still wie ein Grab.
    Das konnte zwei Dinge bedeuten. Erstens, und weniger wahrscheinlich: die Kinder hatten die Leiche gefunden, und die Nachricht hatte sich die Straße hinunter verbreitet. Neuigkeiten hatten das so an sich, und diese Art? Brachte Eltern, die zu Hause bleiben konnten, dazu, ihre Kinder zu schnappen und zu verstecken. Oder sich nach einer anderen Unterkunft umzusehen.
    Zweitens, und wahrscheinlicher: Die Männer des Koloniallords waren anwesend. Kaylin warf einen Blick zu Severn und sah, dass er das Gleiche dachte. Seine Hand war auf den Griff seines Schwertes gefallen, auch wenn er immer noch seine Kette trug. Ihre waren jetzt an ihren Dolchen.
    “Wo?”, fragte sie Severn.
    Er nickte in die nordöstliche Ecke. “In der Halle dort, im ersten Stock. Da.”
    “Es ist Stunden her?”
    Er nickte wieder. “Der Junge hatte hier keine Angehörigen. Ich bezweifle, dass jemand sich um die Leiche gekümmert hat. Ich bin überrascht, dass der Gesetzeslord überhaupt davon erfahren hat.”
    “Wir haben unsere Leute hier”, antwortete sie leise.
    “Er”, sagte Tiamaris, zum ersten Mal seit einer ganzen Weile, “seine auch.”
    “Nightshades?”
    “Ja. Alle Barrani.”
    “Wie viele sind alle?”
    Der Drache runzelte die Stirn. “Vier”, sagte er schließlich. “Und keiner von ihnen ist jung.”
    Da es ihr noch nie gelungen war, das Alter eines Barrani zu bestimmen, zuckte sie nur mit den Schultern. Sie wusste, was er antworten würde, wenn sie ihn fragte, woher er das wusste, und da sie sich aus Magie nicht viel machte, verzichtete sie darauf. “Mit vier werden wir nicht fertig”, sagte sie zu Severn.
    Er schnaubte. “An einem guten Tag würden wir
vielleicht
einen schaffen.”
    “Das wird kein Problem sein”, sagte Tiamaris sehr ruhig.
    Die Haare in Kaylins Nacken stellten sich auf. Das Gefühl hasste sie, und sie strich sie mit einer Hand wieder glatt.
    “Vorschlag”, sagte sie zu Tiamaris. “Du gehst zuerst.”
    Er lächelte sein langsames, träges Lächeln und hielt auf die Eingangstür des Gebäudes zu. “Versucht, mir nicht im Weg zu stehen”, sagte er, als er die Tür aus den Angeln trat.
    “Hey!”, rief Kaylin seinem sich

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