Keeva McCullen 4 - Tödliche Fesseln (German Edition)
zuerst für die staatliche Wasserbehörde, später für Thames Water.
Matthew holte eine Taschenlampe aus seiner schweren Werkzeugtasche und beleuchtete den Boden. Tatsächlich, da waren Fußabdrücke, er konnte Spuren erkennen. Und sie schienen sogar relativ frisch zu sein. Also war wirklich jemand hier gewesen.
Eine üble Vorahnung überkam ihn. Hoffentlich hatte nur irgendwer seinen Müll entsorgt. Und hauste nicht auch noch selbst hier drinnen. Das konnte Matthew sich zwar nicht so recht vorstellen, aber man wusste ja nie.
Er betrachtete den Boden genauer und identifizierte zwei Spuren, eine in den Gang hinein - und eine wieder hinaus, Gott sei Dank! Er würde also ziemlich sicher keinem unheimlichen Höhlenbewohner begegnen. Wer auch immer hier gewesen sein mochte, er hatte den Tunnel bereits wieder verlassen. Allerdings sahen die einzelnen Abdrücke ziemlich merkwürdig aus. Größer als normal und irgendwie ... schief. Matthew glaubte sogar, so etwas wie Zehenabdrücke erkennen zu können, als wenn dieser Mensch barfuß gelaufen wäre.
Das konnte allerdings auch an dem schlechten Licht liegen, seine Taschenlampe hatte ihre besten Zeiten schon lange hinter sich. Er sollte sich endlich einmal eine der neuen Lampen geben lassen, die mit dieser LED-Technik, das waren richtige kleine Suchscheinwerfer.
Matthew ging weiter. Langsam roch die Luft feuchter und wurde merklich kühler. Die Spuren auf dem Boden waren immer noch zu erkennen, auch wenn sie jetzt zunehmend von kleineren Spuren überdeckt waren, die von dem vielen Ungeziefer stammten, das hier üblicherweise lebte.
Matthew hatte keine Angst vor Ratten oder Mäusen. Er wusste, dass die Tiere ihn normalerweise schon von Weitem kommen hörten und sich dann schleunigst verdrückten. Er hatte sie noch nie aggressiv erlebt, eher ängstlich.
Ein lautes Scharren hallte dumpf durch die Gänge und Matthew schrak zusammen. Was war das denn gewesen?
Er blieb eine Weile stehen und lauschte, konnte aber nur die üblichen Geräusche vernehmen: das Tröpfeln von Wasser, hin und wieder ein Rauschen, wenn irgendwo das Abwasser einer Klospülung, einer Waschmaschine oder einer abgelassenen Badewanne in die Rohre gelangte – und über allem ein ständiges, leises Brummen. Matthew vermutete, dass es sich dabei um das Geräusch des Großstadtverkehrs handelte, wusste es aber nicht genau.
Als Minuten später noch immer nur die üblichen Laute zu vernehmen waren, setzte Matthew seinen Weg fort. Ziemlich sicher war der Ton durch einen aus der Mauer gefallenen Ziegelbrocken verursacht worden. Es hatte zwar nicht nach einem fallenden Stein geklungen, sondern eher wie das Geräusch eines Holzstabes, der über trockenen Grund geschabt wurde ... doch auch das hatte nichts zu bedeuten, redete Matthew sich ein. Durch diese verzweigten und unterschiedlich großen Röhren wurden Klänge oft sehr stark verfremdet, da war es normal, dass manche Dinge sich seltsam anhörten. Kein Grund zur Unruhe.
Nun, er müsste sowieso gleich bei der Stelle angelangt sein, von der aus das reklamierte Rohr abzweigte. Wenn etwas dieses Rohr verstopfte, so würde er es einfach entfernen – und danach in den wohlverdienten Feierabend gehen. Das erste Mal seit vielen Jahren konnte er es kaum erwarten, wieder an das Tageslicht zurückkehren zu können. Normalerweise fühlte er sich hier unten ganz wohl. Gut, es roch nicht immer angenehm, aber ansonsten gab es an seiner Arbeit nicht viel auszusetzen und er erledigte sie gerne.
Heute jedoch war irgendetwas anders als sonst. Er hätte es niemals jemand anderem gegenüber zugegeben, aber er fühlte sich – ja, er fühlte sich beobachtet. Mehr als einmal ertappte er sich dabei, wie er blitzschnell mit der Taschenlampe in einen der seitlich abzweigenden, düsteren Gänge leuchtete - und dann absurderweise erleichtert war, weil das Licht der kleinen Funzel nur wenige Meter in den jeweiligen Nebengang reichte – denn auf eine irrationale Art und Weise hatte er Angst vor dem, was er weiter hinten entdecken könnte ...
Er ging schneller und begann, bei jedem Geräusch zusammenzuzucken. Einmal schrie er sogar leise auf, als ein etwas lauteres Rascheln von der Seite zu ihm drang. In diesen Nebengang leuchtete er nicht mit seiner Lampe, sondern beeilte sich nur, ihn so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Es grauste ihm schon davor, hier wieder zurückgehen zu müssen.
Als ihm dieser Gedankengang bewusst wurde, schüttelte er über sich selbst den Kopf.
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