Keeva McCullen 4 - Tödliche Fesseln (German Edition)
sonniges Plätzchen im Hinterhof des Bürogebäudes gesucht und sich seinem Mittagssandwich gewidmet, als sein Kollege Harry Fulke den Kopf durch die Tür steckte.
„Ah, da bist du ja“, rief Harry aus, als er Matthew entdeckte, und kam dann ebenfalls in den Hof.
Er hielt Matthew einen Computerausdruck entgegen.
„Hier, bitte! Noch ein Auftrag. Ich kann ihn leider nicht übernehmen. Ich habe heute Nachtmittag frei und treffe mich mit meiner Frau.“
Matthew wischte sich die Hand an seiner Arbeitsmontur ab und nahm den Zettel. Er sah nicht nach, was auf dem Papier stand, sondern faltete es nur grob zusammen, schob es sich in die Hosentasche und biss anschließend herzhaft in sein Mittagessen.
„Was ist los?“, nuschelte er mit vollem Mund. „Schon wieder irgendwo die Scheiße ins Stocken geraten?“
Er kicherte, verschluckte sich und musste Husten, wobei ihm einige Bröckchen Brot aus dem Mund fielen.
Das Londoner Abwassersystem stammte aus dem 19. Jahrhundert und gehörte somit zu den ältesten Großstadtnetzen der Welt. Der starke Autoverkehr der Stadt sorgte zudem nahezu ununterbrochen für leichte Bodenerschütterungen, was den Verfall der aus Ziegeln gemauerten Abwasserkanäle noch deutlich erhöhte. Fast täglich brach irgendwo ein Teil aus einer Mauer und sorgte für einen kleinen – oder größeren – Stau.
Harry fiel in Matthews Lachen mit ein, trat neben ihn und klopfte ihm auf den Rücken, bis Matthew wieder normal atmen konnte. Dann zuckte er mit den Schultern.
„Keine Ahnung, was es zu tun gibt“, gab er zu. „Sally hat die Meldung aufgenommen und mir dann den Auftrag in die Hand gedrückt. Aber ich habe jetzt, wie schon gesagt, Feierabend und wollte ihn bloß noch schnell an dich weiterreichen.“
Er sah demonstrativ auf seine Uhr.
„Ich muss dann auch mal los“, meinte er entschuldigend.
Matthew verscheuchte ihn mit der Hand.
„Ja, hau nur ab“, sagte er freundlich. „Und überlasse mir ruhig den ganzen Dreck.“
Harry grinste ihn an, winkte zum Abschied und verschwand wieder im Gebäude. Matthew lehnte sich zurück, aß den Rest seines Sandwiches und genoss noch für ein paar Minuten die Sonne, ehe er sich mit einem Seufzen erhob.
Na, dann wollen wir mal, dachte er und ging in das Hauptgebäude, um seine Werkzeugtasche zu holen.
Eine Stunde später stand Matthew vor einem der unzähligen, über die ganze Stadt verstreuten Eingänge zum Abwassersystem. Hinter dieser Tür müsste eigentlich der Bereich liegen, in dem er nach der Ursache für die gemeldete Störung suchen sollte.
Aus einem der hiesigen, schon lange stillgelegten Abwasserrohre war eine unappetitliche Brühe in den Regent‘s Canal getröpfelt. Der Anrufer – offensichtlich einer der Hippies, die die Hausboote dort bevölkerten – hatte etwas von einem ekelhaften Netz gefaselt, das er aus dem Rohr gezogen hätte und in dem sich angeblich Leichenteile von Tieren befunden haben sollen. Er hatte auch gemeint, dass das Tröpfeln danach nicht aufgehört hätte, sondern die Suppe nach wie vor munter vor sich hin rann – wohl also noch mehr von dem widerwärtigen, wahrscheinlich giftigen Zeug da drin steckte. Er war recht aufgebracht gewesen.
Nun, höchstwahrscheinlich hatte der Typ bloß am Vortag irgendetwas geraucht, was ihm nicht bekommen war. Diese Vermutung stammte von Sally, die mit dem Kerl gesprochen hatte. Er hätte ganz komisch geklungen, hatte sie gemeint.
Nun, nichtsdestotrotz musste Matthew hier jetzt nach dem Rechten sehen. Er schloss den Zugang auf und trat ein. Es roch muffig, ein wenig sumpfig, aber der Boden und die Wände waren trocken. Dieser Teil hier wurde schon lange nicht mehr intensiv genutzt, viele Röhren waren trockengelegt und der Boden raschelte, als Matthew mit seinen Gummistiefeln darüber schritt. Wenn es hier irgendwo Verstopfungen gab, dann weiter hinten. Matthew fragte sich nur, wo diese herrühren mochten. Nun, er würde es gleich sehen.
Er legte einen Kippschalter neben der Tür um und die alten Lampen an den Wänden schalteten sich ein. Sie warfen ein ziemlich kümmerliches gelbes Licht, das nicht einmal die Decke des Tunnels erhellte. Zudem schien nahezu die Hälfte der Lampen ausgefallen zu sein. Matthew seufzte und marschierte los.
Je weiter er in das uralte Gangsystem eindrang, umso unwohler fühlte er sich. Er konnte sich nicht erinnern, irgendwann schon einmal in dem Bereich hier gewesen zu sein – und er arbeitete immerhin bald dreißig Jahre in den Kanälen,
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