Keeva McCullen 4 - Tödliche Fesseln (German Edition)
von der Kleidung. An einem der Jackenärmel entdeckte er einen kleinen Riss, ansonsten schien sein Missgeschick keine weiteren Folgen gehabt zu haben.
Matthew atmete tief durch, streifte den Rest der unnötigen Angst, die ihn befallen hatte, ab, hob die Taschenlampe und orientierte sich kurz. Na, wenigstens war er jetzt ganz in der Nähe der Stelle, von der das Rohr abzweigte. Eigentlich sollte es sogar direkt aus diesem Auffangbecken hier wegführen, und nach kurzem Suchen fand er an den Wänden drei kreisrunde Löcher.
Etwas irritiert bemerkte er, dass sich überall auf dem flach ansteigenden Steinboden des Beckens eine silbrige Schicht befand. Er trat etwas näher und betrachtete diesen Überzug genauer: Spinnweben! Nie zuvor hatte er so viele davon auf einer Fläche gesehen - aber so wie es aussah, war das Becken auch schon seit länger Zeit nicht mehr befüllt gewesen. Und Spinnen sowie anderes Krabbelgetier gab es hier unten mehr als genug.
Er kümmerte sich also nicht weiter darum, sondern zog stattdessen einen seiner Pläne zurate. Die linke der drei Röhren war die gesuchte. Nun, dann wollen wir mal, dachte er. Er holte die Rohrreinigungsspirale aus seinem Koffer, wickelte sie auf und führte die Spitze mit dem kleinen Haken in das Rohr. Schon recht bald stieß er auf einen leichten Widerstand.
„Hab ich dich!“, sagte er.
Mit geübten Bewegungen hakte er sein Werkzeug in das Objekt ein und zog vorsichtig. Der Abfallbeutel - oder was immer es auch sein mochte - glitt mühelos in seine Richtung. Da der Hippie von irgendeiner tropfenden Suppe gesprochen hatte, hatte Matthew schon auf so etwas gehofft und seine Laune verbesserte sich deutlich. Feuchter Müll ließ sich meistens wesentlich leichter entfernen als trockener - letzterer war oft brüchig und klebte manchmal auch irgendwo fest, wohingegen feuchter Müll sozusagen seine eigene Gleitschicht produzierte.
Er holte einen gefalteten Plastiksack aus seiner Arbeitstasche und schüttelte ihn auf. Mit einer Hand hielt er dessen Öffnung vor das Rohr, während er mit der anderen fachmännisch den schleimigen Klumpen, der sich aus dem Rohr schälte, in die Tüte bugsierte. Mit einem unappetitlichen Klatschen fiel das Ding in den Plastiksack - und Matthew war kurz überrascht über das Gewicht. Nicht gerade wenig für so ein kleines Ding.
Eigentlich wollte er nur noch hier raus, seinen Bericht abgeben und Feierabend machen - aber die Neugierde ließ ihm nun doch keine Ruhe. Also riskierte er einen Blick in den Abfallsack - und verzog angewidert das Gesicht. Bei dem Klumpen handelte es sich um eine Art Beutel - wohl aus so einem Öko-Plastik oder einem dünnen Stoff, denn das silbergraue Material hatte sich bereits halb aufgelöst und sein Inhalt quoll an allen möglichen Stellen aus ihm heraus: Dutzende schwabbelig aussehender toter Mäuse und Ratten.
Matthew wandte die Augen ab. Da hatte wohl irgendwer Jagd auf die kleinen Viecher gemacht - und seine Beute dann in diesem Rohr entsorgt. Oder es war ein gezielter Anschlag auf die Typen auf den Hausbooten gewesen. Es gab Leute, denen waren die Boote - und ihre oft zwar seltsamen, aber trotzdem friedlichen Bewohner - ein Dorn im Auge. Wer weiß, auf welche Ideen solche intoleranten Zeitgenossen gekommen sein mochten ...
Nun, jetzt war das Rohr ja wieder von dem Ekelding befreit. Und falls in nächster Zeit erneut etwas in der Art die Rohre verstopfen sollte, dann musste sich eben die Polizei damit befassen. Von seiner Seite her war die Arbeit jedenfalls erledigt.
Matthew knotete den Plastikbeutel zu, wischte sein Werkzeug sauber und packte alles zusammen. Dann richtete er sich auf, nahm seine Sachen und marschierte - etwas zügiger als sonst - in Richtung Ausgang.
Er war so froh darüber, den heutigen Arbeitstag endlich hinter sich gebracht zu haben, dass er die kleine Spinne gar nicht bemerkte, die gerade flink seine Jacke hinaufkroch - und unter dem Aufschlag seines Kragens verschwand …
*
Olivia Winchcombe trippelte bedächtig durch den Gang ihrer kleinen Wohnung.
Sie hatte gerade die aktuelle Tageszeitung aus dem Briefkasten geholt und war auf dem Weg zur Küche, wo sie - wie jeden Morgen - nun erst einmal eine schöne Kanne Tee zubereiten wollte. Dann würde sie sich an ihren gemütlichen Küchentisch setzen, in der Zeitung blättern und dazu ein paar Tassen des aromatischen, heißen Getränkes genießen.
Schon seit vielen Jahrzehnten hielt sie es so. Zuerst gemeinsam mit ihrem Mann Alfred,
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