Keeva McCullen 5 - Kuss der Pandora (German Edition)
ihn mit einem angedeuteten Lächeln, dann konzentrierten sich beide wieder auf den Pfarrer, der gerade die Abschiedsrede neben dem offenen Grab vor ihnen hielt.
Robert hatte Aleksander Hakonsen schon seit vielen Jahren nicht mehr getroffen. Früher, als sie beide noch jung gewesen waren, hatten sie so viel wie nur möglich gemeinsam unternommen - und in den Zeiten dazwischen einen regen Briefkontakt gepflegt. Aleksander hatte damals noch in Norwegen gelebt und war dort – neben seiner offiziellen Tätigkeit als Englisch-Lehrer – einer der erfolgreichsten Dämonenjäger seiner Generation gewesen.
Robert hatte viel von ihm gelernt, sah in ihm sogar so etwas wie einen Mentor, und hatte sich daher gefreut, als der mittlerweile alt gewordene Aleksander vor knapp zwanzig Jahren nach London gezogen war. In den ersten Jahren nach seinem Umzug hatten er und Robert sich auch regelmäßig getroffen - doch dann hatte der alte Mann sich immer mehr zurückgezogen, war nur noch selten nach draußen gegangen, und in den letzten Jahren war der Kontakt schließlich ganz eingeschlafen.
Jetzt bedauerte Robert das. Er hätte sich gerne noch einmal mit dem alten Mann unterhalten, der trotz seines hohen Alters einen wachen und intelligenten Verstand besessen hatte. Es hatte unglaublich viel Spaß gebracht, mit ihm über alle möglichen Phänomene zu diskutieren – und immer hatte Aleksander einen ungewöhnlichen und höchst interessanten neuen Gesichtspunkt mit ins Gespräch eingebracht.
Robert würde diese Abende vermissen ...
Er seufzte. Es war immer das gleiche: man merkte erst hinterher, was man verloren hatte.
Der Pfarrer war fertig mit seiner Ansprache und die Trauergesellschaft löste sich langsam auf. Es waren nicht viele Leute gekommen. Hier in London hatte Aleksander zum Schluss kaum noch Umgang mit anderen Menschen gepflegt, seine Ehefrau war schon lange tot und seine restliche Familie lebte in Norwegen.
Die wenigen Gäste schickten sich an, in einem nahegelegenen Pub zum Leichenschmaus einzukehren, doch Robert zögerte. Er kannte niemanden von ihnen – und wollte eigentlich nicht mit.
Eine hellblonde Frau Anfang Vierzig schien sein Zögern zu bemerken. Sie ging auf ihn zu und hielt ihm die Hand hin.
„Malin Hakonsen“, stellte sie sich vor, „Ich bin die Enkeltochter des Verstorbenen.“
Robert schüttelte ihr die Hand.
„Mein Name ist Robert Paddock“, sagte er. „Ich kenne Aleksander noch aus früheren Zeiten. Wir waren ... Berufskollegen.“
Er wusste nicht, inwieweit Malin von der Haupttätigkeit ihres Großvaters wusste, daher blieb er absichtlich vage.
„Ah, Sie sind also auch Lehrer“, meinte sie. „Oder waren ...“, fügte sie in Hinblick auf Roberts ebenfalls schon fortgeschrittenes Alter hinzu.
Er musste schmunzeln.
„Ich bin schon in Rente, das stimmt“, gab er zu.
Es stimmte wirklich. Auch wenn er niemals Lehrer gewesen war, so hatte er doch die Dämonenjägerei schon seit einigen Jahren an den Nagel gehängt.
„Ich habe Ihren Namen im Adressbuch meines Großvaters gefunden“, erklärte sie, „daher hatte ich Ihnen eine Einladung zur Beerdigung geschickt. Es freut mich, dass Sie kommen konnten.“
Ah, deswegen bin ich eingeladen worden, dachte Robert. Er hatte sich schon gefragt ...
„Woran ist er denn gestorben?“, fragte er. „Und wann?“
Malins Gesicht umwölkte sich.
„Seine Haushaltshilfe hat ihn letzten Montag gefunden“, sagte sie. „Anscheinend ist er am Abend zuvor einem Herzanfall erlegen.“
Sie seufzte.
„Wenn ich daran denke, dass ich ihn noch am selben Tag gesehen habe“, meinte sie mit brüchiger Stimme. „Da hat er noch absolut fit gewirkt. Für sein Alter, wollte ich sagen ...“
Robert nickte.
„Ich weiß, was Sie meinen“, sagte er. „Aber andererseits finde ich persönlich es immer besser, wenn jemand quasi mitten aus dem Leben gerissen wird, als wenn er jahrelang in schwerer Krankheit vor sich hin siechen muss. Und natürlich vorausgesetzt, es handelt sich dabei nicht um einen jungen Menschen.“
Malin atmete tief ein.
„Ja, das stimmt“, sagte sie. „Und er war auch schon länger herzkrank, auch wenn man es ihm nicht unbedingt angesehen hat. Es kam also in Wirklichkeit nicht allzu überraschend. Trotzdem ... ich werde ihn schrecklich vermissen.“
Sie lächelte ihn an und Tränen glitzerten in ihren Augen.
„Wollen Sie denn nicht doch mitkommen zu unserem kleinen Abschiedsessen?“, fragte sie ihn. „Ich bin mir sicher, mein
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