Keeva McCullen 6 - Der Wiedergänger (German Edition)
können - doch beide Male waren die Fenster verschlossen und verrammelt gewesen, weshalb der Wiedergänger nicht nahe genug an sein Ziel gelangen konnte, um ein wenig von dessen Lebensenergie abzuzapfen.
Nun wurde er müde. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Morgen dämmerte, er musste also bald zurückkehren in sein Versteck und bis zur nächsten Nacht ausharren. Wenn er jedoch auch dann keinen Erfolg bei seiner Suche haben würde, dann sollte er sich vielleicht wirklich nach anderen Jagdgründen umsehen, ehe er verhungerte. Doch würde er woanders auch ein geeignetes Versteck finden?
Er seufzte leise und drehte sich um, um den Rückweg anzutreten, als ihn innerlich ein Ruck durchfuhr. Leise stöhnend blieb er stehen, hob den missgestalteten Kopf und lauschte. Ja, da war etwas! Jemand rief nach ihm, eindeutig. Der Untote drehte den Kopf mehrmals hin und her, bis er die Richtung ausfindig gemacht hatte - und überrascht die Reste seiner Stirn runzelte. Der Ruf kam von dort, aus der Nähe seines Verstecks? Warum? Wer war das?
Ein Fletschen zerteilte das Gesicht des Wiedergängers und für einen kurzen Moment war sogar der Hunger vergessen. So schnell es ihm möglich war, humpelte er auf allen Vieren zwischen den Häusern hindurch in die Richtung, in die dieser Sog ihn zwang. Dabei ließ er alle Vorsicht außer Acht - und wäre beinahe direkt vor die Füße zweier Menschen gestolpert, die sich unerklärlicherweise gerade jetzt hier aufhielten.
Im letzten Moment gelang es ihm zu stoppen und sich in einem Gebüsch zu verbergen. Erstaunt blickte er den beiden Leuten hinterher - einem Mann und einer Frau, die gerade die Straße entlanggingen - und wartete, bis sie hinter der nächsten Ecke verschwunden waren. Was war denn heute hier nur los? Geheimnisvolle Lockungen, nächtliche Wanderer ...
Doch er hielt sich nicht lange mit dieser Überlegung auf. Der Ruf des Zaubers, den irgendjemand dort oben, am Hang des Berges, auszusprechen schien, wurde zu mächtig und füllte seinen Geist zunehmend aus. Der Wiedergänger überzeugte sich mit einem kurzen Blick davon, dass sich niemand mehr auf der Straße aufhielt, und überquerte sie mit einigen schnellen, weiten Sprüngen. Auf der anderen Seite hielt er im Schatten eines Hauses überrascht inne. Seine Kräfte waren gewachsen, seine Beweglichkeit enorm gestiegen und seine Energie so groß wie schon lange nicht mehr. Ob das eine Folge des Zaubers war, der nun mit dröhnender Gewalt in seinen inneren Ohren klang?
Egal, dachte er. Wenn ich dadurch noch schneller zur Quelle dieser Worte komme, umso besser. Er kehrte dem Dorf den Rücken, eilte über eine Wiese und verschwand ungesehen im Dunkel des Waldes …
*
„Was in drei Teufels Namen habt ihr hier zu suchen?“, zischte etwas direkt hinter Keevas Rücken - und jagte ihr damit einen solchen Schrecken ein, dass sie einen Sprung zur Seite machte und unsanft gegen Shane prallte.
Sie hielt sich an ihm fest, drehte sich um und sah in das wütende Gesicht einer zierlichen grauhaarigen Frau. Diese stand, beide Hände in die Hüfte gestemmt und die Lippen zusammengepresst, neben der nun geöffneten Eingangstür des Hauses, in dessen Einfahrt Shane und Keeva sich gerade aufhielten - weil sie hier nur wenige Minuten zuvor das Auto entdeckt hatten, das der Beschreibung des Antiquitätenhändlers ziemlich genau entsprach.
Keeva überlegte noch, was sie denn sagen sollte, als Shane sich sanft von ihr löste, einen Schritt nach vorne ging und der Frau die Hand zur Begrüßung hinhielt.
„Entschuldigen Sie bitte die Störung so mitten in der Nacht“, sagte er höflich, „aber wir müssen unbedingt mit Ihnen reden. Mein Name ist Shane Truax und meine Freundin heißt Keeva McCullen. Es ist sehr wichtig, dass Sie uns zuhören. Es hat mit Magie zu tun!“
Keeva schnappte nach Luft. Sie konnte kaum glauben, was sie da hörte. Warum sprach er vor dieser wildfremden Frau von Magie? Wollte er denn, dass diese die Polizei alarmierte, weil sich zwei gefährliche Irre auf ihrem Grundstück herumtrieben?
Doch noch verblüffter wurde sie, als sie das Mienenspiel der Frau beobachten konnte. Das verärgerte Misstrauen wich einem offensichtlichen Erstaunen und ging schließlich in freundliche, aber noch immer leicht verwirrte Neugierde über.
Na, wenigstens bin ich nicht die Einzige, die nicht versteht, was hier vorgeht, dachte Keeva.
Noch etwas zögerlich ergriff die Frau schließlich Shanes Hand und schüttelte sie, doch
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