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Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition)

Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition)

Titel: Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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das Geheimnis meiner Geldleihe an Mongenod und die Art, wie ich dabei verfahren war, mitgeteilt, so rief er aus: ›Was! Einer von meinen Gehilfen bekommt so etwas fertig? Sie hätten das doch auf den nächsten Tag hinausschieben und zu mir kommen müssen. Da hätten Sie erfahren, daß ich Mongenod nicht mehr empfange. Schon seit einem Jahre hat er von mir mehr als hundert Taler in Silber entliehen, einen enormen Betrag! Und drei Tage, bevor er Sie zu diesem Frühstück besuchte, ist er mir auf der Straße begegnet und hat mir sein Elend mit so erschütternden Worten geschildert, daß ich ihm zwei Louisdor gegeben habe!‹ ›Wenn ich das Opfer eines geschickten Komödianten geworden bin, um so schlimmer für ihn, nicht für mich‹, sagte ich. ›Aber was soll ich nun tun?‹ ›Wenigstens müssen Sie von ihm ein Anerkenntnis bekommen, denn ein Schuldner, wie faul er auch sein mag, kann einmal wieder fein werden, und dann erhält man sein Geld wieder.‹ Daraufhin holte Bordin aus einer Mappe seines Schreibtisches einen Umschlag, auf dem der Name Mongenod stand, und zeigte mir drei Empfangsbescheinigungen, jede über hundert Franken. ›Sobald er wiederkommt, werde ich die Zinsen hinzurechnen, die zwei Louisdor, die ich ihm gegeben habe, und das, worum er mich noch bitten wird; dann muß er mir über alles eine Bescheinigung ausstellen mit dem Anerkenntnis, daß die Zinsen vom Tage des Leihens ab laufen. So ist die Sache wenigstens ordnungsmäßig, und ich habe die Möglichkeit, wieder einmal zu meinem Gelde zu kommen.‹ ›Könnten Sie nicht‹, sagte ich zu Bordin, ›meine Sache ebenso ordnen? Sie sind ein Ehrenmann, und was Sie machen, ist richtig.‹ ›Auf diese Weise bleibt man Herr des Schlachtfeldes‹, erwiderte mir der frühere Anwalt. ›Wenn man so handelt, wie Sie es getan haben, ist man einem Menschen ausgeliefert, der sich über Sie lustig machen kann. Ich will aber nicht, daß man sich über mich lustig mache! Einen früheren Anwalt am Châtelet zum Narren halten!... Unsinn! Jeder Mensch, dem Sie Geld borgen, wie Sie es unbedacht Ihrem Mongenod geliehen haben, glaubt nach Verlauf einer gewissen Zeit, daß es ihm gehöre. Es ist nicht mehr Ihr Geld, sondern sein Geld, und Sie werden sein Gläubiger, also ein unbequemer Mann. Der Schuldner sucht sich dann Ihrer zu entledigen, indem er sich mit seinem Gewissen abfindet; und fünfundsiebzig von hundert solchen Menschen werden sich bemühen, Ihnen für den Rest ihrer Tage nicht wieder zu begegnen ..,‹ Sie meinen also, daß es unter hundert Menschen nur fünfundzwanzig anständige gibt?‹ ›Habe ich so viele gesagt?‹ bemerkte er mit boshaftem Lächeln. ›Das ist viel.‹ Vierzehn Tage später erhielt ich einen Brief, in dem Bordin mich bat, zu ihm zu kommen, um meine Papiere in Empfang zu nehmen. Ich ging zu ihm. ›Ich habe versucht, Ihnen fünfzig Louisdor wieder zurückzuholen,‹ sagte er zu mir (ich hatte ihm meine Unterhaltung mit Mongenod mitgeteilt). ›Aber die Vögel sind davongeflogen. Sagen Sie Ihren Goldstücken Lebewohl! Ihre Kanarienvögel sind nach wärmeren Gegenden gezogen. Wir haben es mit einem Schwindler zu tun. Hat er nicht mir gegenüber behauptet, daß seine Frau und sein Schwiegervater nach den Vereinigten Staaten gegangen sind, um dort mit sechzig von Ihren Louisdor Grundstücke zu kaufen, und daß er dort mit ihnen zusammenzutreffen gedenke, das heißt also, um ein Vermögen zu erwerben und dann zurückzukommen, um seine Schulden zu bezahlen, deren vollständiges ordnungsmäßiges Verzeichnis er mir übergeben hat, mit der Bitte, ihn wissen zu lassen, was aus seinen Gläubigern inzwischen geworden ist. Hier ist das genaue Verzeichnis,‹ sagte Bordin und zeigte mir einen Umschlag, auf dem die Gesamtsumme angegeben war: ›Siebzehntausend Franken in Silber,‹ sagte er, ›eine Summe, für die man ein Haus haben kann, das eine Rente von zweitausend Talern abwirft!‹ Und nachdem er das Aktenstück wieder verwahrt hatte, übergab er mir einen Wechsel über den Betrag von hundert Louisdors, umgerechnet in Assignaten, nebst einem Briefe, in dem Mongenod anerkannte, hundert Louisdors in Gold empfangen zu haben und mir auch deren Zinsen zu schulden. – ›Meine Sache ist also in Ordnung‹, sagte ich zu Bordin. ›Er kann Ihnen die Schuld nicht ableugnen,‹ erwiderte mein ehemaliger Chef; ›aber wo nichts ist, da hat der König, das heißt das Direktorium, sein Recht verloren.‹ Nach diesen Worten entfernte ich mich. In

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