Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition)
würde ich Sie nach dem Namen meines Kritikers, des alten Richters, fragen, denn ich werde ihn wohl sicher kennen...«
»Oh, das ist kein Geheimnis«, unterbrach Gottfried Herrn Bernard. »Da Sie Ihr volles Vertrauen in mich gesetzt haben, kann ich Ihnen sagen, daß Ihr Zensor der ehemalige Präsident Lecamus de Tresnes ist.«
»Ach, vom Obersten Gerichtshof in Paris! Hier, nehmen Sie! Das war einer der edelsten Charaktere seiner Zeit... Er und der selige Popinot, der Richter am Tribunal erster Instanz, das waren Richter, würdig der schönsten Zeiten des alten Parlaments. Damit sind alle meine Befürchtungen, die ich noch hegte, zerstreut... Und wo wohnt er? Ich möchte ihm doch für die Mühe, die er sich machen will, danken.«
»Sie finden ihn in der Rue Chanoinesse unter dem Namen eines Herrn Nikolaus... Ich gehe gerade dorthin. Und Ihr Vertrag mit den Schurken?...«
»August wird ihn Ihnen übergeben«, sagte der Alte und kehrte wieder in den Hof der Klinik zurück.
Eine Droschke, die einer der Kommissionäre vom Quai Billy geholt hatte, fuhr jetzt vor; Gottfried stieg ein und versprach dem Kutscher ein gutes Trinkgeld, wenn er rechtzeitig in der Rue Chanoinesse ankäme, denn Gottfried wollte dort speisen.
Eine halbe Stunde nach dem Fortbringen Wandas stiegen drei schwarzgekleidete Männer, die die Vauthier von der Rue Notre-Dame des Champs her hereingeführt hatte, wo sie jedenfalls den geeigneten Moment abgewartet hatten, die Treppe, von dem weiblichen Judas begleitet, hinauf und klopften leise an die Tür von Herrn Bernards Wohnung. Da es gerade ein Donnerstag war, konnte der Schüler das Haus hüten. Er öffnete, und die drei Männer glitten wie Schatten in das erste Zimmer.
»Was wünschen Sie, meine Herren? fragte der junge Mann.
»Wir sind hier doch bei Herrn Bernard ... das heißt bei dem Herrn Baron?«
»Aber was wünschen Sie denn?
»Ach, das wissen Sie ja recht gut, junger Mann; man hat uns gesagt, daß Ihr Großvater eben mit einer geschlossenen Sänfte abgezogen ist... Das wundert uns nicht, das ist sein Recht. Ich bin Gerichtsvollzieher und werde hier alles mit Beschlag belegen... Am Montag haben Sie die Aufforderung erhalten, dreitausend Franken als Hauptbetrag nebst den Kosten an Herrn Métivier bei Strafe der Verhaftung, die wir Ihnen angedroht haben, zu zahlen; und da ein alter Zwiebelhändler sich auf Bollen versteht, hat der Schuldner Reißaus genommen, um der Gefängniszelle in Clichy zu entgehen. Aber wenn wir ihn auch nicht fassen können, so werden wir uns doch wenigstens an sein reiches Mobiliar halten, denn wir wissen alles, junger Mann, und werden ein Protokoll aufnehmen.
»Da sind die Zustellungen, die Ihr Großvater nie hat annehmen wollen, sagte jetzt die Vauthier und steckte drei Zahlungsbefehle August in die Hand.
»Bleiben Sie hier, liebe Frau, wir werden Sie als gerichtlichen Verwahrer einsetzen. Das Gesetz billigt Ihnen täglich vierzig Sous zu; das ist auch nicht zu verachten.
»Ach, da werde ich ja endlich sehen, was in dem schönen Zimmer ist! rief die Vauthier.
»Sie werden nicht in das Zimmer meiner Mutter hineingehen!« rief der junge Mann mit furchtbarer Stimme und sprang zwischen die Tür und die drei schwarzen Männer.
Auf einen Wink des Gerichtsvollziehers packten die beiden Gehilfen und der erste Schreiber, der dazugekommen war, August.
»Keinen Widerstand, junger Mann; Sie sind hier nicht der Herr; sonst werden wir ein Protokoll aufnehmen und Sie auf die Polizeiwache bringen... Als er dieses verhängnisvolle Wort hörte, brach August in Tränen aus.
»Ach, was für ein Glück,« sagte er, »daß Mama fort ist! Das wäre ihr Tod gewesen!
Es wurde jetzt eine Art von Konferenz zwischen den Gehilfen, dem Gerichtsvollzieher und der Vauthier abgehalten. August verstand, so leise sie auch sprachen, daß man die Manuskripte seines Großvaters beschlagnahmen wolle; daraufhin öffnete er die Tür des Zimmers.
»Kommen Sie herein, meine Herren, aber beschädigen Sie nichts«, sagte er. »Morgen werden Sie Zahlung erhalten.« Und er ging weinend in sein elendes Zimmer, wo er die Papiere seines Großvaters nahm und sie in den Ofen steckte, in dem, wie er wußte, kein Funken mehr glimmte.
Das wurde so schnell ausgeführt, daß der Gerichtsvollzieher, ein schlauer, gerissener, seiner Auftraggeber Barbet und Métivier würdiger Kerl, den jungen Mann weinend auf einem Stuhl vorfand, als er in seine Höhle eilte, nachdem er sich überzeugt hatte, daß die
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