Kein Alibi: Roman (German Edition)
lügen, wenn sie nichts zu verbergen hat?«
Hammond, der sich wie ein Kavalier alter Schule fühlte, meinte: »Vielleicht hatte sie insgeheim ein Stelldichein und lügt, weil sie den Mann, mit dem sie zusammen war, schützen möchte.«
»Vielleicht. Jedenfalls lügt sie, und Smilow hat Oberwasser. Ich weiß, du magst ihn nicht, aber trotzdem musst du zugeben, dass er ein exzellenter Detective ist.«
»Das kann ich nicht bestreiten.«
»Weißt du, er hat ein Jura-Examen.«
Hammond wusste Bescheid. Das war eine jener Feststellungen, die ihm sein Vater wie eine Gerade ständig ins Gesicht schlug. Sie sollte von dem darauf folgenden rechten Aufwärtshaken ablenken.
»Hoffentlich beschließt er nie, vom Polizeidienst zur Staatsanwaltschaft zu wechseln. Schon möglich, dass du dann ohne Job dastehst, mein Sohn.«
Hammond biss die Zähne zusammen, damit ihm nicht die Bemerkung herausrutschte, die ihm durch den Kopf schoss.
»Ich habe deiner Mutter erklärt –«
»Du hast den Fall mit Mom diskutiert?«
»Warum nicht?«
»Weil… weil das unfair ist.«
»Wem gegenüber?«
»Gegenüber allen Betroffenen, der Polizei, meiner Abteilung, den Verdächtigen. Dad, was, wenn diese Frau unschuldig ist? Dann hätte man wegen nichts ihren Ruf ruiniert.«
»Hammond, warum regst du dich so auf?«
»Hoffentlich erheitert nicht auch noch Mom ihren Bridge-Club mit sämtlichen schlüpfrigen Details aus diesem Fall.«
»Du übertreibst.«
Vielleicht stimmte das, aber je länger dieses Telefongespräch dauerte, umso verärgerter reagierte er. Hauptsächlich, weil er nicht wollte, dass sein Vater jeden seiner Schritte in diesem Fall überwachte. Ein Mordprozess dieser Größenordnung forderte einen Anwalt mit Haut und Haaren. Stunden wurden zu Tagen und Tage zu Wochen, manchmal sogar zu Monaten. Damit wurde er fertig. Darauf freute er sich sogar. Aber eines passte ihm ganz und gar nicht: am Ende jedes Tages Kritik ertragen zu müssen. Das würde ihn nach und nach demoralisieren und dazu führen, dass er sich jede Strategie zweimal überlegte.
»Dad, ich weiß, was ich tue.«
»Niemand hat je bezweifelt –«
»Blödsinn. Jedes Mal, wenn du dich mit Mason besprichst und ihn um einen Bericht bittest, stellst du meine Befähigung in Frage. Wenn er mit meiner bisherigen Arbeit nicht zufrieden gewesen wäre, hätte er mir nicht diesen Fall zugeteilt. Außerdem würde er dann sicherlich nicht für mich als seinen Nachfolger werben.«
»Alles richtig, Hammond«, sagte Preston aufreizend kontrolliert. »Umso mehr Gründe habe ich, mir Sorgen zu machen, dass du die Sache verscherzt.«
»Was bringt dich auf diese Vermutung?«
»Meines Wissens handelt es sich bei der Verdächtigen um eine schöne Frau.«
Den Schlag hatte Hammond nicht kommen sehen. Wenn das ein realer Aufwärtshaken gewesen wäre, läge er jetzt k. o. auf der Matte. Er taumelte unter der Wucht. Stets schien sein Vater hundertprozentig zu wissen, wo er ihn treffen musste, wo er es am meisten spüren würde.
»Das ist die größte Beleidigung, die du mir je an den Kopf geworfen hast.«
»Hör zu, Hammond, ich –«
»Nein, jetzt hörst du zu. Ich werde meinen Job machen. Sollte dieser Fall die Todesstrafe rechtfertigen, werde ich dafür plädieren.«
»Wirklich?«
»Absolut. Genauso, wie ich gegen dich Anklage erheben würde, falls meine Ermittlungen das erfordern.«
Nach einer kurzen Pause sagte Preston leise: »Hammond, mir gegenüber solltest du nicht bluffen.«
»Reiz es aus, Dad. Sieh zu, ob ich bluffe.«
»Nur zu. Überprüf du aber vorher deine Motive.«
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, stell sicher, dass du schlagkräftige Beweise hast und nicht nur deinen kleinlichen Groll. Erspar uns beiden den Aufwand, die Zeit und die Blamage, nur weil du darüber giftest, wenn ich dir gegenüber hart bin. Man würde mich nie verurteilen. Dein Versuch, mir in die Suppe zu spucken, würde deine gründlich versalzen.«
Hammond hielt den Telefonhörer so fest umklammert, dass seine Finger inzwischen weiß vor Schmerz waren. »Dein Akku ist leer. Auf Wiedersehen.«
Trotz des heftigen Regens hatte Alex beschlossen, joggen zu gehen. Gleichmäßig bewegten sich ihre Beine. Gerade jetzt, wo ihr restliches Leben im Chaos versank, schien es lebensnotwendig, an ihrem regelmäßigen Training festzuhalten. Sie hatte außerdem Patiententermine bis in die späten Abendstunden verschoben und
konnte durch die körperliche Anstrengung mentale Spannungen
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