Kein Alibi: Roman (German Edition)
gar nicht so enttäuscht. Die Intrige stachelte seinen unbefriedigten Abenteuersinn an. Dass er mit einem Geheimnis betraut war, egal, von welchem Ausmaß, verlieh ihm, der meistens draußen stand, einen Platz im innersten Zirkel. Loretta hatte wegen dieser Manipulation leichte Gewissensbisse, war aber zu fast allem bereit, um Hammond einen Gefallen zu tun und ihren Fehler von damals wieder gutzumachen.
»Was ich benötige, ist jede Information, die du über eine gewisse Dr. Alex Ladd auftreiben kannst. Ihr zweiter Vorname beginnt mit E., ihre Rentenversicherungsnummer, die Führerscheinnummer etc. habe ich bereits. Sie ist Psychologin und praktiziert hier in Charleston.«
»Eine Seelenklempnerin? Ist das ihre Verbindung zu Pettijohn?«
»Kann ich dir nicht sagen.«
»Loretta«, jammerte er.
»Weil ich’s nicht weiß. Ich schwör’s. Bisher habe ich über sie nur ganz gewöhnliches Zeug. Steuererklärungen, Kontoauszüge, Kreditkarten. Damit ist alles in Ordnung. Ihr Haus gehört ihr, hat keine größeren Schulden. Niemand prozessiert gegen sie. Hat noch nicht mal einen Strafzettel bekommen. Ihre Unterlagen aus der Studienzeit und danach sind eindrucksvoll. War eine exzellente Studentin, der mehrere renommierte Praxen eine Teilhabe angeboten haben. Trotzdem hat sie sich für eine eigene entschieden.«
»Gleich von Anfang an? Muss aus reichem Hause stammen.«
»Sie hat einen Packen von ihren Adoptiveltern geerbt, einem gewissen Dr. Marion Ladd, praktischer Arzt in Nashville. Verheiratet mit Cynthia, Hausfrau und früher Lehrerin. Sie hatten keine anderen Kinder. Sind vor einigen Jahren bei einem Flugzeugabsturz während eines Skiurlaubs in Utah ums Leben gekommen.«
»Bestand Verdacht auf gewaltsamen Tod?«
Loretta verbarg ihr Lächeln hinter einem Schluck Mineralwasser. Allmählich kam Harvey auf den richtigen Dreh. »Nein.«
»Hmm. Klingt für mich, als hättest du schon eine ganze Menge.«
Loretta schüttelte den Kopf. »Ich weiß nichts über ihre Jugend. Sie wurde erst mit fünfzehn adoptiert.«
»In dem Alter?«
»Merkwürdigerweise scheint ihr Leben erst ab diesem Zeitpunkt zu beginnen. Die Umstände, die zu ihrer Adoption führten, und ihr Leben vorher sind ein schwarzes Loch, das keinerlei Informationen preisgibt. Meine Versuche, hier durchzudringen, verliefen im Sand.«
»Hm«, meinte Harvey und nahm rasch noch einen Schluck.
»Sie hat eine private High-School besucht. Die Leute, mit denen ich dort gesprochen habe – und ich habe mich die Rangordnung hochgearbeitet –, waren nett und höflich, aber verschlossen. Sie wollten nicht einmal so weit gehen, mir einen Jahresbericht von ihrer Abschlussklasse zu schicken. Waren höchst bedacht
darauf, die Privatsphäre der Ladds zu schützen, und wollten sich mit keinem Wort über sie äußern.
Nach allem, was ich über sie gelesen habe, handelte es sich um hoch geachtete Leute, die über jeden Zweifel erhaben waren. Cynthia Ladd wurde vor ihrem Rückzug aus dem Berufsleben als Lehrerin des Jahres ausgezeichnet. Beim Tod von Dr. Ladd haben seine Patienten um ihn getrauert. Er war Diakon in der Kirchengemeinde. Sie… Egal, du weißt, was ich meine. Keinerlei Skandal, nicht einmal ein Hauch.«
»Was kann ich also tun?«
»Dich in ihre Jugendakte einklinken.«
Wieder stöhnte er theatralisch. »So etwas hatte ich schon befürchtet.«
»Wahrscheinlich ist dort gar nichts. Ich möchte doch nur, dass du mal ’nen Blick hineinwirfst.«
»Schon ein Blick könnte mich meinen Job kosten. Du weißt doch, wie das Jugendamt ist«, jammerte er. »Die hüten diese Akten wie Reliquien. Darin darf keiner rumpfuschen.«
»Höchstens ein Genie, das sich nicht erwischen lässt. Die Dinger, die ich brauche, stecken außerdem in Tennessee.«
»Vergiss es!«
»Ich weiß, dass du’s kannst«, sagte sie, wobei sie die Hand über den Tisch streckte und ihn tätschelte.
»Wenn das Jugendamt herausfindet, was ich tue, bekomme ich ’ne Menge Schwierigkeiten.«
»Harvey, ich habe vollstes Vertrauen zu dir.«
Obwohl er heftig auf seiner Lippe herumkaute, konnte sie sehen, dass ihn die Herausforderung reizte. »Ich stimme lediglich einem Versuch zu, das ist alles. Ich werd’s versuchen. Außerdem darf man so etwas Delikates nicht überstürzen.«
»Ich verstehe. Lass dir Zeit, aber beeil dich.« Sie kippte ihr Mineralwasser hinunter und rülpste leise. »Ach, Harvey, wenn du schon mal dabei bist…«
Er zog eine Grimasse. »O nein.«
»Ich hätte gerne, dass
Weitere Kostenlose Bücher