Kein Alibi: Roman (German Edition)
versetzte ihm mit beiden Händen einen kräftigen Hieb vor die Brust. »Lass mich los.«
Er gab nicht nach. »Das beweist nur, dass die Geschichte vom letzten Samstag mehr war als nur eine schlichte Verführung.«
»Ich habe dich nicht verführt.«
»Und wie, aber das hatten wir schon mal. Du bist in ein Schwerverbrechen verwickelt und hast mich bewusst mit hineingezogen. Alex, warum? Du hast mich als Staatsanwalt absichtlich in einen Interessenkonflikt gestürzt. Du hast mich zum Teil des Ganzen gemacht, was immer dieses Ganze sein mag.«
»Es gibt kein Ganzes, gab es nie. Nicht, bis Lute Pettijohn tot aufgefunden wurde.«
»War er daran beteiligt?«
»Hörst du denn nicht zu?«, schrie sie.
»War ich das Ziel seiner letzten Intrige? Hat er gerade meinen Sturz geplant, bevor er ermordet wurde?«
»Ich weiß es nicht. Seine Ermordung hat mit mir nichts zu tun.«
»Ich wünschte, das könnte ich glauben. Wir sind uns nicht zufällig begegnet, Alex. So viel hast du zugegeben.«
Sie versuchte, seitlich an ihm vorbeizukommen, aber er blockierte ihren Weg und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Du gehst nicht eher, als bis ich die Wahrheit erfahren habe. Woher wusstest du, dass ich auf dem Jahrmarkt sein würde?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Woher hast du das gewusst?«
Sie war störrisch und blieb stumm.
»Alex, sag’s mir. Woher wusstest du, dass ich dorthin gehe? Das konntest du nicht wissen. Höchstens, wenn –« Plötzlich brach er ab, warf ihr einen durchdringenden Blick zu und packte sie fester an den Schultern.
Ihr Blick sprach Bände.
»Du bist mir dorthin gefolgt«, sagte er leise.
Sie zögerte eine schier endlose Zeit, ehe sie langsam nickte. »Ja, ich bin dir vom Charles Towne Plaza aus gefolgt.«
26
»Du hast die ganze Zeit über gewusst, dass ich dort gewesen bin?«
»Ja!«
»Bei Pettijohn?«
»Wieder getroffen.«
»Und du hast nichts gesagt? Warum?« Unverwandt schaute sie auf sein Jackett. Sie starrte es an, als könne sie durch den Stoff hindurch den Umschlag in der Brusttasche sehen. Sie war wütend, wirkte aber gleichzeitig zutiefst traurig.
»Der Bericht ist scheußlich, kann aber nicht annähernd wiedergeben, wie schlimm es wirklich war. Das kann sich keiner ausmalen, nicht einmal in den kühnsten Träumen.« Ihre Augen trafen seine wieder. »Ich werde auf Grund eines verdammten Berichts verurteilt und nicht auf der Basis dessen, was ich heute bin.«
»Ich möchte nicht –«
»Das hast du bereits«, sagte sie erregt. »Ich erkenne es an der Art, wie du mich anschaust, und höre es aus deinen hässlichen Andeutungen. Nicht wahr, es ist einfach, von deiner erhabenen Position aus ein Urteil zu fällen? Du aus der reichen Familie samt Stammbaum. Hammond, bist du je endlose Tage hungrig gewesen?
Hast du gefroren, weil die Rechnung der Stadtwerke nicht bezahlt wurde? Musstest du schmutzig herumlaufen, weil es keine Seife zum Waschen gab?«
Er versuchte, sie in die Arme zu nehmen, aber sie stieß ihn weg. »Nein, bemitleide mich nicht. Manchmal bin ich dafür dankbar, denn es hat mich stark gemacht. Es hat mich zu dem gemacht, was ich bin, hat es mir ermöglicht, Menschen besser zu helfen. Denn mich schockiert nichts von dem, was sie mir erzählen. Ich akzeptiere Menschen und ihre Irrwege voll und ganz. Niemand hat ein Recht, ihr Verhalten abzuurteilen, es sei denn, er wäre in genau derselben Situation gewesen.
Nur wer gehungert und Demütigung ertragen hat und sich selbst für seine Taten gehasst hat. Nur wer so tief gesunken ist, dass er sich selbst für Abschaum hält, für ein Wesen, das keinen Funken Liebe wert ist, besonders nicht die eines Mannes –«
Sie hielt inne und atmete so rasch ein, dass ihre Brust bebte. Dann schnaubte sie durch die Nase und warf trotz der Tränen, die über ihre Wangen liefen, den Kopf zurück. »Angenehme Lektüre, Hammond.«
Damit schob sie ihn beiseite und stolzierte weg, um die Ecke, aus der Gasse. Hammond sah ihr in dem Bewusstsein nach, dass momentan keines seiner Worte sie in ihrem Zorn erreichen würde. Fluchend stützte er den Ellbogen aufs Autodach und legte die Stirn auf den Unterarm. Aber ihm blieben nur wenige Sekunden Erholung. Auf einen unterdrückten Schrei hin riss er den Kopf hoch und herum.
Alex kam in die Gasse zurückgerannt. Ein Mann hinter ihr her. »Er hat ein Messer!«, schrie sie aus Leibeskräften.
Der Angreifer packte sie bei den Haaren und brachte sie abrupt zum Stehen. Als er den Arm hob, sah Hammond
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