Kein Alibi: Roman (German Edition)
ihre Geheimnisse bei Sarah in Sicherheit waren, ging sie in die Garage und stieg in ihren BMW. Die bewohnten Straßen waren dunkel, alle schon im Bett. Auch auf der Stadtautobahn und den Einkaufsboulevards herrschte wenig Verkehr. Obwohl es gegen ihr eigenes Naturell und das des BMWs ging, hielt sie sich an die Höchstgeschwindigkeit. Ein Richter, der Lute einen Gefallen schuldete, hatte bereits zwei Strafmandate wegen alkoholisierten Fahrens unter den Tisch fallen lassen. Ein drittes hieße, ihr Glück übermäßig zu strapazieren.
Der McDonald’s war angestrahlt wie ein Spielcasino in Las Vegas. Selbst zu dieser späten Stunde stand noch ein Dutzend Autos auf dem Parkplatz. Sie gehörten Teenagern, die sich drinnen um die Tische drängten.
Davee bog auf einen Parkplatz ein, der am hintersten Ende im Schatten lag, kurbelte auf der Fahrerseite das Fenster herunter
und schaltete dann den Motor aus. Vor ihr stand eine Reihe struppiger Büsche, die als Hecke zwischen dem Parkplatz des McDonald’s und dem eines anderen, längst Pleite gegangenen Fastfoodrestaurants dienten. Das Gebäude war mit Brettern vernagelt. Hinter ihr lag die leere Durchfahrtsstraße. Links und rechts nichts als Dunkelheit.
Zu ihrem Verdruss war er noch nicht da. Als Reaktion auf sein Drängen hatte sie alles liegen und stehen lassen – einschließlich eines guten Highballs – und war angerannt gekommen. Sie klappte die Sonnenblende herunter, schob die Abdeckung des beleuchteten Spiegels zurück und überprüfte ihr Konterfei.
Er öffnete auf der Beifahrerseite und stieg ein. »Du siehst gut aus, Davee. Wie immer.«
Rory Smilow zog rasch die Tür zu, um die Innenraumbeleuchtung auszuschalten. Dann streckte er den Arm übers Lenkrad, schob die Abdeckung wieder vor den Make-up-Spiegel und löschte damit auch dieses Licht.
Sein Kompliment ging Davee durch und durch wie ein Schluck warmen, sehr teuren Alkohols. Trotzdem versuchte sie, sich die berauschende Wirkung nicht anmerken zu lassen, und sagte stattdessen verärgert: »Was soll dieser Mantel-und-Degen-Mist, Rory? Gehen dir neuerdings die Ideen aus?«
»Ganz im Gegenteil. Ich habe zu viele, aber keine ergibt einen Sinn.«
Ihre Bemerkung war witzig gemeint gewesen, aber er hatte sie selbstverständlich ernst aufgefasst. Zu ihrer großen Enttäuschung kam er sofort zum geschäftlichen Teil, genau wie in jener Nacht, als er kam, um ihr mitzuteilen, dass ihr Mann tot war. Sein Benehmen hatte exakt dem Protokoll entsprochen: professionell, höflich, distanziert.
Nicht in tausend Jahren würde Steffi Mundell je vermuten, dass sie beide einmal ein Paar gewesen waren, das bei einem seiner Liebesspiele die Glastür der Dusche aus dem Rahmen gesprengt hatte. Dass ein Picknick in einem öffentlichen Park damit geendet hatte, dass er mit dem Rücken an einem Baum lehnte, während sie auf ihm ritt. Dass sie ein ganzes Wochenende lang von
Erdnussbutter und Sex gelebt hatten, vom Seminarende am Freitagnachmittag bis Montag früh, als der Unterricht wieder begann.
Sein Verhalten an dem Tag, als Lute starb, hatte mit keiner Geste die verrückte Romanze verraten, in die sie einmal verstrickt gewesen waren. Es hatte Davee das Herz gebrochen, dass er eine derart gottverdammte Distanz wahren konnte, während sie ihn buchstäblich mit den Augen vernaschen wollte. Seine Selbstkontrolle war zu bewundern – oder zu bemitleiden. Ein derart geringes Maß an Leidenschaft ließ auf ein sehr einsames und steriles Leben schließen.
So versuchte sie, sich innerlich vor ihm zu verschließen, und sagte: »Betrachte es als kurzen Ausrutscher trotz meines ansonsten guten Urteilsvermögens, aber hier bin ich. Also, was willst du?«
»Dir ein paar Fragen über den Mord an Lute stellen.«
»Ich dachte, du hättest den Fall unter Dach und Fach. Ich habe doch in den Nachrichten gesehen –«
»Richtig, richtig. Hammond trägt ihn nächste Woche dem Gericht vor.«
»Wo liegt dann das Problem?«
»Hast du vor dem heutigen Tag, also vor der Nachrichtensendung, schon einmal von Dr. Alex Ladd gehört?«
»Nein, aber Lute hatte jede Menge Freundinnen. Viele kannte ich, aber sicher nicht alle.«
»Meiner Meinung nach gehörte sie nicht zu den Freundinnen.«
»Ehrlich?«
Sie drehte sich zu ihm, schob einen Fuß unter ihren Po und legte das Kinn aufs Knie. Diese provozierende, wenig damenhafte Pose zog seinen Blick magisch nach unten, wo er mehrere Sekunden ruhte, ehe er wieder zu ihrem Gesicht
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