Kein Alibi: Roman (German Edition)
Reportern und den Zuschauern zu Hause die rudimentären Fakten mitteilte. Er beschönigte nichts, was in erster Linie daran lag, dass er lediglich rudimentäre Fakten kannte. Zum ersten Mal war seine Weigerung, ihnen mehr Informationen zu geben, kein taktischer Schachzug.
Er war auf Informationen genauso neugierig wie die Medien. Deshalb verschlug es ihm auch bei der knappen Zusammenfassung des Kriminalbeamten die Sprache. »Was meinen Sie mit Zero?«
»Genau das.« Mike Collins war ein alter Hase, der sich von Smilow weniger einschüchtern ließ als die anderen und deshalb normalerweise auf Grund einer stillschweigenden Vereinbarung als Sprecher auftrat. »Bisher haben wir noch nichts herausbekommen. Wir –«
»Detective, das ist unmöglich.«
Collins hatte dunkle Ringe unter den tief liegenden Augen, ein Beweis, wie hart sein Abend gewesen war. Er drehte sich zu Steffi Mundell, die ihn unterbrochen hatte, und musterte sie, als ob er sie am liebsten erwürgt hätte, ehe er sie bewusst ignorierte und Smilow weiter mündlich Bericht erstattete.
»Wie gesagt, wir haben die Herrschaften durch die Mühle gedreht.« Noch immer befanden sich Gäste und Angestellte im großen Ballsaal in polizeilichem Gewahrsam. »Zuerst hat’s denen ja direkt Spaß gemacht, Sie wissen schon. Das Ganze war aufregend, wie im Kino. Aber der Reiz des Neuen ist schon seit Stunden weg. Nachdem sie schon x-mal dieselben Antworten auf dieselben Fragen gegeben haben, werden sie allmählich sauer. Es gibt jede Menge Gemurre, warum sie nicht gehen können; mehr bekommen wir aus denen nicht heraus.«
»Es fällt mir schwer, zu glauben …«
»Wer hat Sie eigentlich eingeladen?«, fauchte Collins Steffi an, als sie ihn erneut unterbrach.
»… dass von all diesen Leuten«, fuhr sie fort und überrollte ihn buchstäblich, »keiner etwas gesehen hat.«
Smilow hob die Hand, um einen offenen Streit zwischen seinem
entmutigten Detective und der unverblümten Staatsanwältin zu unterdrücken. »Okay, ihr zwei. Wir sind alle müde. Steffi, ich sehe keinen Grund, dass du weiter hier herumhängst. Sobald wir etwas herausgefunden haben, wirst du benachrichtigt.«
»Darauf kann ich lange warten.« Sie verschränkte die Arme und funkelte Collins trotzig an. »Ich bleibe.«
Widerwillig gab Smilow grünes Licht, die Hotelgäste wieder in ihre Zimmer zu lassen. Anschließend versammelte er seine Detectives in einem der Tagungsräume im Zwischengeschoss und ließ Pizzas bringen. Während seine Leute sie vertilgten, fasste er noch einmal die dürftigen Informationen zusammen, die sie nach stundenlangen erschöpfenden Verhören herausbekommen hatten.
»Pettijohn hatte im Fitnesscenter eine Massage?«, fragte er nach einem Blick auf die Notizen.
»Ja.« Einer der Detectives schluckte einen dicken Pizzabrocken. »Gleich nach seiner Ankunft.«
»Haben Sie den Masseur befragt?«
Der Mann nickte. »Er meinte, Pettijohn wollte die Deluxemassage, volle neunzig Minuten. Er hat im Vorraum zum Schwimmbad geduscht, deshalb war das Bad in der Suite trocken.«
»Wirkte der Kerl verdächtig?«
»Nicht, soweit ich erkennen konnte«, nuschelte der Detective mit einem neuen Bissen im Mund. »Kommt von einem Fitnesscenter in Kalifornien. Ist neu in Charleston. Hat Pettijohn heute zum ersten Mal getroffen.«
Smilow studierte die hastig aufgestellte Gästeliste. Alle schienen über jeden Verdacht erhaben. Alle behaupteten, sie hätten Lute Pettijohn nie getroffen, obwohl ihn ein paar dank des Medienrummels kannten, der die Eröffnung des Charles Towne Plaza vor wenigen Monaten begleitet hatte.
Die meisten waren ganz normale Leute auf Familienurlaub. Drei Pärchen feierten ihre Flitterwochen, einige andere gaben das auch vor, obwohl es sich zweifellos um Liebespaare handelte, die verbotenerweise ein geheimes Wochenende in einer romantischen Stadt verbrachten. Nervös beantworteten sie die Fragen der
Detectives, aber nicht, weil sie Gewissensbisse wegen Mordes hatten, sondern nur wegen Ehebruchs.
Sämtliche Zimmer im vierten Stock waren bis auf drei von einer Gruppe Lehrerinnen aus Florida belegt. In zwei Suiten tummelte sich ein Basketballteam. Die Jungs hatten im Frühling ihren High-School-Abschluss gemacht und tobten sich zum letzten Mal gemeinsam aus, ehe sie sich auf verschiedene Universitäten verstreuten. Ihr einziges Vergehen war Alkoholkonsum Minderjähriger. Zur Bestürzung seiner Kumpel übergab einer dem Beamten beim Verhör freiwillig ein winziges
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